Wildes Blut
Aber Fortune durfte nicht zu fließend Französisch sprechen, dann würde Mercedes es bemerken. Dass er sich auch recht gut auf deutsch verständigen konnte, würde sie endgültig davon überzeugen, dass er nicht Lucero war.
Mariano begleitete die Prinzessin und Mercedes und ermöglichte es daher dem Prinzen, sich ungestört mit Don Lucero zu unterhalten.
"Ich hörte, dass Sie kurze Zeit am Hofe dienten. Ich glaube, ich erinnere mich an Sie", sagte Salm-Salm.
"Ich war nicht sehr lange dort. Es wäre mir eine Ehre, wenn Sie mich bemerkt hätten."
Der Prinz betrachtete den Mann mit der Narbe auf der Wange, dann berührte er sein eigenes Gesicht, auf dem eine ähnliche weiße Linie sichtbar war. "Eine Duellnarbe aus meiner Jugendzeit."
"Meine Narben habe ich bei den contre- guerillas erhalten. Ich hatte einen westfälischen Kameraden, der mich etwas Deutsch lehrte." Das stimmte, aber er hatte Kemper bei der Fremdenlegion in Nordafrika getroffen.
"Sehr interessant", entgegnete der Prinz. "Sie sind sprachgewandter als ich."
Nicholas warf einen raschen Blick zu Mercedes hinüber, aber sie unterhielt sich gerade angeregt mit der Prinzessin und Mariano und hatte nicht zugehört. "Der Krieg ist ein harter Lehrmeister. Sie wissen selbst, wie sehr das Leben eines Soldaten und der Erfolg eines Offiziers davon abhängen, dass seine Befehle ve rstanden werden. Die meisten Männer waren Europäer oder Nordafrikaner, nur wenige kamen aus Mexico."
"Der Krieg ist ein seltsames Geschäft." Der Prinz seufzte.
"Aber heute Abend sind wir hier, um zu feiern", sagte er.
Don Encarnacion, der seinen Ehrengast bei den Alvarados entdeckte, kam auf sie zu. "Ich hätte wissen müssen, dass zwei Soldaten viele Gemeinsamkeiten entdecken werden - und Ihre Gemahlinnen sprechen Englisch. Welch glücklicher Umstand.
Aber wenn ich Sie für eine Weile entführen dürfte - ich habe noch andere Gäste, die begierig darauf sind, Ihre Bekanntschaft zu machen."
Nicholas sah zu, wie der alte Don und der Prinz zusammen mit der Prinzessin in der Menge verschwanden. Mariano blieb mit Mercedes und ihm zurück.
"Ein sehr gewinnender Mann, dieser Prinz Salm-Salm", bemerkte Nicholas und wartete auf Marianos Reaktion, aber gerade in diesem Augenblick begann das
Unterhaltungsprogramm.
Die Menge applaudierte, als die Tänzer anfingen. Sie trugen kunstvoll gearbeitete Kostüme in leuchtendem Rot, Blau, Grün und Schwarz, mit Haarschmuck aus Federn und Masken und boten eine besondere Mischung aus alten aztekischen Ritualen und europäischem Bühnentanz dar.
Es war eine gelungene Darbietung, und Mercedes sagte: "Das war absolut unglaublich. Sie sind genauso gut wie die Zirkusartisten, die ich als Mädchen in Madrid sah."
Ursula, die sich während der Vorführung wieder zu der Gruppe gesellt hatte, meinte nur: "Damit dürfte die Prinzessin Salm-Salm sich wieder wie zu Hause fühlen."
Mariano sah sie missbilligend an. "Meine Frau meint, dass Prinzessin Agnes einst als Zirkusakrobatin auftrat."
"Dort hat der 'liebe Salmi' sie kennen gelernt", flüsterte Ursula mit kaum verhohlenem Entzücken. "Sie war Kunstreiterin und trug rosa Strümpfe. Es ist wirklich ein Skandal, dass man sie bei Hofe empfängt. Meine Tante Honoria sagt, dass die Kaiserin sie nicht mag, aber der Kaiser will sie nicht abweisen. Er...."
"Das reicht jetzt, meine Liebe. Der Prinz und die Prinzessin sind unsere Gäste, und niemand sollte über den kaiserlichen Hof klatschen." Marianos Stimme klang sanft, aber seine Augen wirkten kühl und unerbittlich.
Nicholas hörte dem Wortwechsel zu und dachte: Also gibt es etwas, das dich dazu bringt, Gefühle zu zeigen - deine verwöhnte junge Frau. Ursula war offensichtlich verärgert, dass ihr Gemahl sie zurechtwies. Vielleicht war es einfacher, von ihr in Erfahrung zu bringen, was er wissen wollte - falls ihm das gelang, ohne dass Mercedes ihm vor Eifersucht die Augen auskratzte.
17. KAPITEL
Nachdem die Tänzer ihre Darbietung beendet hatten, stellte Don Encarnacion Prinz Felix Salm-Salm und Prinzessin Agnes formell den örtlichen Honoratioren aus Chihuahua und Sonora vor, die er zu diesem Anlass eingeladen hatte. Die Ehrengäste führten die Prozession in den Speisesaal an, wo ein fünfzig Fuß langer Tisch aus poliertem Mahagoni mit chinesischem Porzellan gedeckt war. Der Tisch war dekoriert mit riesigen Eisplastiken und großen Mengen von Zinnien und Dahlien.
Auf besonderen Wunsch von Prinz und Prinzessin saßen Nicholas und Mercedes
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