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Wildes Blut

Wildes Blut

Titel: Wildes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shril Henke
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rückwärts. Nicholas erhob sich taumelnd.
    Der Leutnant war blutüberströmt, aber Fortunes rechte Schulter schmerzte, und sein Blick war wie verschleiert.
    Fortune kam zu dem Schluss, dass er in ernsten Schwierigkeiten war, trotz der blutbedeckten Erscheinung seines Gegners. Es war Zeit, etwas anderes zu versuchen. Er nahm den Säbel in die linke Hand und sah von Scheeling entspannt an.
    Dann sagte er etwas Beleidigendes - in gut verständlichem Deutsch.
    Agnes Salm-Salm war, nach Jahren an der Seite eines Berufssoldaten, an die Ausdrucksweise ihres Gemahls gewöhnt und damit an gelegentliche Vulgaritäten. Aber der Fluch, den Nicholas ausstieß, trieb ihr die Röte in die Wangen.
    "Was hat er gesagt?" flüsterte Mercedes. Ihre Kehle war trocken, und sie umklammerte die versteckte Waffe fester.
    "Nun, es bezieht sich auf Arnoldts Herkunft", erläuterte die Prinzessin ausweichend. "Etwa, dass seine Mutter eine Frau von lockerer Moral war, die Beziehungen zu - na ja, Bauernhoftieren unterhielt. Den Rest können Sie erraten."
    Aber Mercedes war zu sehr damit beschäftigt, die zornige Erwiderung von Scheelings zu beobachten, um irgend etwas zu erraten.
    Der Leutnant zuckte zurück, als hätte er einen Fausthieb ins Gesicht erhalten. Mit einen Schrei stürzte er vor. Nicholas fing den Schlag mit dem Griff seines Säbels ab. Endlich hatte der rechte Arm des gewaltigen Preußen etwas von seiner Kraft eingebüßt.

    Fortune hielt die Waffe seines Gegners mit der eigenen fest und trat näher. Einen Moment lang begegneten sich ihre Hasserfüllten Blicke. Dann stieß Nicholas das Knie in die Lenden von Scheelings. Der Leutnant fiel vornüber, und Fortune stellte sich - wie ein Matador - auf die Zehen, zielte mit der Spitze seiner Klinge und trieb sie durch den Rücken des Preußen in dessen Herz.
    Genau wie bei dem Stier, Andre.
    Mercedes kniete auf dem felsigen Boden und umklammerte wie versteinert die Waffe, die sich als überflüssig erwiesen hatte. Er hatte ihre Hilfe nicht gebraucht - wer immer er auch sein mochte -, dieser Fremde, der seine linke Hand genauso geschickt einsetzen konnte wie seine rechte, der nicht nur Französisch und Englisch sprach, sondern offensichtlich auch noch Deutsch. Sie konnte sich nicht länger etwas vormachen: Mercedes Alvarado trug das Kind eines Mannes, der nicht ihr Gemahl war. Und, so wahr ihr Gott helfe, sie liebte ihn. Wäre es nötig gewesen, hätte sie für ihn getötet.
    "Kommen Sie, wir gehen am besten, ehe die Männer uns finden. Salm wäre außer sich, und Ihr Don Lucero wohl ebenfalls. Welch ein Kämpfer!" frohlockte Agnes, ohne die Verwirrung und Aufregung ihrer Freundin zu bemerken, während sie an deren Ärmel zupfte.
    Lautlos entfernte sich Mercedes von dem Schauplatz des blutigen Zweikampfes. Sie sah sich kein einziges Mal um.

19. KAPITEL
    Mercedes schritt in ihrem Schlafzimmer auf und ab, während ihre Blicke immer wieder zu der Uhr auf der Kredenz neben der Tür wanderten. Gleich würde sie ihm gegenüberstehen.
    Ihm.
    Er wusste so viel über die Alvarados, über die Dienstboten, über alles auf Gran Sangre, bis hin zu den
    Kindheitserinnerungen. Gewiß hatte Lucero ihm alles erzählt.
    Niemand sonst hätte das tun können. Aber warum? Hatte ihr Liebster vielleicht das Leben ihres Gemahls bedroht? Heilige Jungfrau, hatte er Lucero getötet? Die Fähigkeiten dazu besaß er. Er konnte kühl und gnadenlos sein, aber er hatte auch sein Leben gewagt, um Bufon zu retten. Lucero hätte das niemals getan, und genauso wenig hätte er Rosario anerkannt.
    Ihr Liebster war wesentlich liebenswerter als Lucero. Und doch glaubte jeder, dass er Lucero war. Wie sollte das auch anders sein, schließlich war die äußere Ähnlichkeit verblüffend.
    Lucero würde das für einen herrlichen Spaß halten, einen anderen zu seiner Frau zu schicken! dachte sie verbittert. Ihr Gemahl hatte sie niemals geliebt.
    Aber dieser Mann liebte sie.
    Und jetzt hatte er ein Kind gezeugt. Es gab berechtigten Grund zu der Annahme, dass der nächste Patron von Gran Sangre so gewissenhaft und fürsorglich wie sein Vater sein würde. Aber das löste nicht ihr moralisches Dilemma. Sie liebte diesen Mann, und sie wusste nicht einmal seinen Namen!
    "Wenn ich nur die Vergebung der Kirche erhalten und beichten könnte ..." Aber das war unmöglich. Kein Priester, und am wenigsten Pater Salvador, würde ihr glauben. Sie würden sie für verrückt halten. Oder schlimmer noch - was würde geschehen, wenn sie ihr glaubten?

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