Wildes Blut
die Bettdecke wie einen Schild vor ihren Körper. Ihre kleinen Hände, zu Fäusten geballt, hoben sich weiß von dem dunklen Samt ab.
Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und ließ sich ihr gegenüber auf einen Stuhl fallen. Er wartete ab, ob sie ihm noch andere Dinge vorwarf - dass er nicht nur ein Spion, sondern auch ein Hochstapler war -, aber nichts dergleichen geschah. Sie sah ihn noch immer mit ihren großen, dunklen Auge n an, doch jetzt war ihr Gesichtsausdruck bedrückt und verwirrt, nicht mehr zornig. Er entschied sich, die Wahrheit zu sagen - jedenfalls einen Teil davon.
"Während des Krieges kämpfte ich gegen die Juaristas. Ich tötete sie - zum Teufel, ich metzelte sie nieder. Nicht nur die Soldaten, sondern auch alte Männer und bartlose Knaben, die bestenfalls mit primitiven Musketen bewaffnet waren. Sie haben sie als Keulen benutzt. Sie traten mit Macheten gegen moderne Repetiergewehre an, sie kämpften sogar mit bloßen Händen.
Wie hoch ihre Verluste auch sein mochten, sie gaben niemals auf."
"Sie werden von gottlosen Männern angeführt, Liberalen, die die Religion abschaffen wollen! Juaristas sind mörderische Banditen, Halsabschneider, die Niedrigsten der Gesellschaft. Ich habe gehört, dass sie Reisende ausrauben und unschuldige Frauen vergewaltigen."
Er lachte rau, stand auf und durchquerte den Raum wie eine gefangene Raubkatze. "Glaubst du, die Imperialen wären besser? Ich habe mit der Armee gekämpft und mit den contreguerillas. Glaube mir, sie sind genauso. Abgesehen davon, dass die Imperialen besser bewaffnet sind -
und prächtigere
Uniformen tragen." Er drehte sich langsam um und blickte sie bezwingend an.
"Ich habe Offiziere gesehen - vornehme criollos - die eine republikanische Stadt einnahmen und ihre Männer auf unschuldige Zivilisten losließen. Das dicke französische Schwein Bazaine ist so gnadenlos wie Attila der Hunne."
Sein Zorn erstaunte sie, aber noch mehr seine Verzweiflung.
Sie konnte sich das Entsetzliche, das er durchlebt hatte, nicht einmal vorstellen. "Wir waren sehr isoliert auf Gran Sangre, aber wir hörten Gerüchte über die Franzosen. Nur habe ich sie niemals für wahr gehalten. Sie kamen als unsere Retter."
"Sie sind ausländische Plünderer. Maximilian verbraucht Millionen für den Bau von Schlössern und Parks, während das Land vom Krieg verwüstet wird. Er reist in goldenen Karossen, die mit Seide und Hermelin ausstaffiert sind. Juarez würde die Reste des mexikanischen Reichtums zumindest nicht für sich persönlich ausgeben."
"Aber er ist ein Indianer, ein Mann ohne Geburtsrecht, ein Niemand. Wie kann er so ein hohes Amt erringen?"
Nicholas zuckte zurück, als hätte sie ihn angespuckt. Ein Mann ohne Geburtsrecht, ein Niemand. Ein Aufsteiger, genau wie er. "Juarez wurde der Verfassung entsprechend gewählt.
Ihm steht nach dem Gesetz das Recht zu, Mexico zu regieren", gab er kühl zurück. Ihre Blicke begegneten sich.
Aber du weißt, dass ich nach dem Gesetz kein Recht auf dich habe, nicht wahr, querida?
Mercedes musterte ihn und erkannte, dass es noch vieles gab, was er nicht sagte. "Du hast die Seiten gewechselt und für Juarez den Kaiser verraten. Hast du es nur getan, um diese Verschwörung aufzudecken, oder hast du schon immer zu den Republikanern gehalten? Wie la nge spionierst du bereits für Juarez?"
Er beantwortete ihre Frage nicht, sondern stellte seinerseits eine. "Wirst du mich verraten?" Seine Stimme klang sanft, als er eine Strähne ihres goldenen Haares zwischen die Finger nahm.
Gegen ihren Willen trat sie näher. Sie spürte die Hitze seines festen, muskulösen Leibes, der gezeichnet war von den Narben des Krieges, in dem er jetzt zur feindlichen Seite gehörte. Aber noch immer war er der Mann, den sie liebte, dessen Kind sie trug. Als sie gesehen hatte, dass der alte Encarnacion ihn erschießen wollte, hatte ihr Herzschlag ausgesetzt. "Du bist mein Gemahl", sagte sie vorsichtig und wagte noch immer nicht, ihn zu berühren. "Ich habe einen Mann getötet, um dich zu retten. Damit werde ich wohl auch zu den Verrätern gehören, nehme ich an."
"So edel, meine treue kleine Gemahlin", sagte er spöttisch, aber das Lächeln auf seinen Lippen war bittersüß. "Ich liebe dich, Mercedes. Glaub mir das, wenn du sonst schon nichts glaubst." Er zog sie in seine Arme.
Sie ließ es zu, denn sie sehnte sich nach seiner warmen Haut, seinem vertrauten Körper - nach dieser entsetzlichen Begegnung mit dem Tod. Er berührte ihren Mund
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