Wildes Blut
Wahrheit, die reine Wahrheit."
"Aber wird man es in Rom auch so sehen?" fragte Fortune, unfähig, seinen Zynismus zu unterdrücken. Er könnte es nicht ertragen, wenn sie wieder Hoffnungen hegte, die dann doch zerstört werden würden.
"Annullierungen sind aus politischen Gründen häufig durchgeführt worden. Bei einem moralischen Dilemma wie hier sollte es keine Schwierigkeiten geben. Ich habe dem Erzbischof Don Luceros Tod mitgeteilt, was unserem Anliegen sehr nützlich sein wird. In ein oder zwei Monaten sollten wir Nachricht erhalten." Der alte Priester ließ seinen Blick zu Mercedes' Leib schweifen, dann errötete er tief und wandte den Blick ab.
"Rechtzeitig, um unserer Verbindung den Segen zu geben, ehe das Kind geboren wird?" fragte Mercedes. Sie wusste, dass sie jetzt einen Verbündeten hatte, nicht den Gegner, den sie gefürchtet hatte.
"Ja, meine Tochter. Ich werde für eine schnelle Lösung beten."
"Wo müssen wir unterschreiben?" fragte Nicholas und lächelte über den gewitzten alten Mann.
"Ich wusste, dass du zu uns zurückkommen würdest", sagte Rosario schläfrig, als Nicholas das Märchenbuch zuklappte und die Decken um sie herum festzog. "Ich habe jede Nacht für dich gebetet. Warum musstest du weggehen, Papa?"
Er strich ihr übers Haar und küsste ihre Stirn. "Du weißt, es herrscht Krieg." Sie nickte ernst. "Ich fand heraus, dass ein paar böse Männer Präsident Juarez umbringen wollten, und ich musste sie aufhalten."
"Pater Salvador sagt, dass Präsident Juarez ein gottloser Republikaner ist", entgegnete Rosario und wartete geduldig auf weitere Erläuterungen.
Nicholas lächelte. "Selbst so ein überzeugter Imperialist wie Pater Salvador würde einen Mord nicht gutheißen, oder?"
"O nein! Das würde er niemals zulassen", erwiderte sie. Dann fragte sie: "Bist du auch ein gottloser Republikaner, Papa?"
Diese Möglichkeit schien Rosario nicht sehr zu beunruhigen.
Er lachte leise. "Ich unterstütze den Präsidenten, das stimmt, aber das macht mich noch nicht zu einem unrettbar Verlorenen das sagt jedenfalls deine Mutter."
"Da bin ich froh." Sie gähnte wieder. "Papa, hat das alles damit zu tun, dass du deinen Namen geändert hast? Die Dienstboten nennen dich jetzt alle Don Nicholas."
"Eines Tages, wenn du etwas älter bist, werden deine Mama und ich dir erklären, warum ich den Namen meines Bruders benutzte", sagte Nicholas sanft und sah, wie sie die Augen schloß.
"Ich glaube, dann muss noch ... ein bisschen ... warten."
Mercedes sah zu, wie das Kind einschlief und Nicholas leise den Raum durchquerte, an dessen Tür sie stand. Bufon beobachtete sie von seinem üblichen Platz neben dem Bett aus.
Als sie die Tür schlossen, wedelte er ihnen einen Gutenachtgruß zu.
Sie gingen Arm in Arm zu ihren Gemächern, und er führte sie hinein. Am vergangenen Abend, bei ihrer Heimkehr, war der Haushalt so in Aufregung gewesen wegen der Neuigkeiten über Luceros Tod und die Rückkehr von Nicholas, dass er Mercedes einfach nur ins Zimmer geschickt hatte, zusammen mit Angelina, die dafür sorgte, dass sie einen Schlummertrunk bekam und etwas Ruhe. Er hatte mit Pater Salvador alles Notwendige wegen der Beerdigung seines Bruders besprochen und sich viel später in sein eigenes Zimmer zurückgezogen.
Plötzlich fühlte Mercedes sich scheu und unsicher. Es war Monate her, seit sie zum letzten Mal beieinander gelegen hatten.
Sie hatte versucht, ihn in jener schrecklichen Gefängniszelle zu verführen, aber er hatte sie zurückgewiesen. Wenn er nun ihren Körper abstoßend und hässlich fand? Seine leise, besorgte Stimme drang in ihre Gedanken.
"Ich habe Rosario erzählt, dass ich den Namen meines Bruders benutzen musste. Wie soll ich ihr das jemals erklären?"
Oder dir?
"Du hast dasselbe Recht an dem Namen Alvarado wie er oder Rosario", sagte sie, nahm seine Hand und führte ihn zu der Polsterbank am Fenster. Draußen rief ein Nachtvogel nach seiner Gefährtin, und der leuchtende Mond von Sonora tauchte die Landschaft in sein silbernes Licht.
"Manchmal frage ich mich, was schlimmer ist - der Sohn Lottie Fortunes zu sein oder die andere Hälfte meiner Vorfahren kennen gelernt zu haben. Wenn Sofia und Anselmo typisch sind für das Haus Alvarado, dann ist es kein Wunder, dass Lucero so geworden ist."
"Es waren nicht alle Alvarados so übel. Am Ende hatte sogar Lucero noch etwas Gutes an sich. Ich glaube, ich sollte dir von deinem Großvater erzählen."
Er sah sie erstaunt an. "Meinem
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