Wildes Blut
und beklagte sich nicht. Er zeigte keinerlei Anzeichen von Müdigkeit, obwohl er doppelt so alt war.
Der alte Vaquero war geboren und aufgewachsen im Hinterland von Sonora, wo die Luft so klar und dünn war, dass der Wind einem Mann die Haut abziehen konnte. Die Temperaturen lagen zwischen vierzig Grad in der Mittagszeit und minus zwanzig Grad in der Nacht, Er war einer der unerschrockenen hombres del norte, die Teersalbe benutzten, um ihre Wunden zu heilen, und mit glühendheißem Draht die Nerven in ihren verfaulten Zähnen abtöteten.
Während des ersten Tages war der alte Mann respektvoll und zurückhaltend und hielt sich strikt an die Klassenschranken - er war nur ein Pferdeknecht in der Gesellschaft des Patron. Am Abend öffnete Nicholas eine Flasche mit Meskal, nachdem sie sich gemeinsam ein einfaches Mahl aus Bohnen und einen starken Kaffee zubereitet hatten.
Nachdem er einen tiefen Zug aus der Branntweinflasche genommen hatte, reichte er sie an den alten Mann weiter. "Das wird uns in dieser Nacht warm halten."
Einen Augenblick lang wirkte Hilario überrascht. Dann nahm er die Flasche. Seine dunklen Augen glühten wie Kohlen, als er seinen Herrn musterte. "Der Krieg hat Sie verändert, Senor."
"Das sagt meine Gemahlin auch", entgegnete Nicholas mit einem leisen Lächeln.
"In den alten Zeiten hätten Sie nicht mit mir geteilt", erwiderte der sehnige alte Vaquero. Dann nahm er einen kleinen Schluck und gab dem Patron die Flasche zurück.
Ohne zu zögern trank Fortune noch einmal und reichte den Meskal weiter. "In den alten Zeiten hätte ich nicht mit dir teilen können."
"Ja, Sie waren damals ein Kind, und ich ein erwachsener Mann. So werden wir alle älter und vielleicht auch klüger wenn uns das Schicksal hold ist. Und wenn nicht, wer kennt schon den Grund?"
Nicholas zog eine Braue hoch. "Du sprichst über das Schicksal wie ein Soldat."
Hilario nahm den Meskal wieder und trank diesmal einen größeren Schluck. "Ich habe gelernt, das zu nehmen, was das Leben mir bietet. Ich glaube nicht, dass Gott und seine Heiligen mehr an Viehtreibern interessiert sind als an Soldaten. Wir überlassen das Beten den Peons."
Er begann, sich eine Zigarette zu drehen, und Nicholas tat es ihm nach. Eine Weile tranken und rauchten sie in kameradschaftlichem Schweigen.
"Ich will Ihnen eine Geschichte von den Peons in Pueblo San Isidor erzählen."
Fortune sah den alten Mann an, um dessen Auge n jetzt Lachfältchen zu sehen waren. "Das liegt auf dem Land des alten Don Esteban, oder?"
"Ja, aber eigentlich ist es ein Scherz, den man über jeden Bauern erzählen kann. Ich weiß nicht, ob etwas Wahres daran ist." Er zuckte die Schultern, dann begann er zu erzählen, eine derbe Geschichte, bei der die Kirche und ihre Heiligen nicht allzu gut wegkamen.
Als Fortune den Kopf zurückwarf und lachte, nahm Hilario noch einen Schluck Meskal. "Wie ich schon sagte, Patron, es ist nur eine harmlose Geschichte."
Nicho las lachte noch immer, als er antwortete: "Irgendwie glaube ich nicht, dass Pater Salvador sie komisch fände."
"Pah! Der! Er würde uns so sehr büßen lassen, dass wir mehr Schwielen an den Knien als an den Händen hätten."
"Meine Mutter jedenfalls hat er mit ihrem Rosenkranz beschäftigt, solange ich denken kann", sagte Nicholas und dachte an das, was Lucero ihm über seine Mutter erzählt hatte.
Auch wenn Lottie Fortune ganz gewiss nicht fromm gewesen war, so gab es doch Ähnlichkeiten in der Art, wie sein Bruder und er auf die Liebe ihrer Mütter hatten verzichten müssen.
"Er kam als ihr Beichtvater hierher, als sie anreiste, um Ihren Vater zu heiraten. Ihrer Mutter hatte immer seine Loyalität gegolten."
"Ich nehme an, er hat sie gegen meinen Vater unterstützt."
"Und Ihren Vater gegen Ihre Gemahlin, aber ich habe nicht das Recht, über Dinge zu sprechen, die im Herrenhaus vor sich gehen. Der Meskal hat mir die Zunge gelöst."
Nicks lässige Haltung änderte sich. Er setzte sich auf und musterte den alten Mann. "Don Anselmo und Pater Salvador haben einander immer gehasst. Warum sollte der alte Priester in irgendeiner Angelegenheit seine Partei ergreifen?"
Hilario fühlte sich sichtlich unbehaglich. Es war dumm von ihm, das Gespräch auf die junge Patrona zu bringen, denn er wusste, dass die Ehe von Don Lucero und seiner Gattin nicht glücklicher war als die von Don Anselmo und Dona Sofia. "Die Herrin musste verschiedene Entscheidungen treffen, nachdem Sie in den Krieg gezogen waren, Senor. Sie wissen,
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