Wildes Blut
nach Hermosillo ritten, betrachtete Mercedes von hinten Lucero und die selbstverständliche Anmut, mit der er zu Pferde saß, jeder Zoll der stolze Aristokrat, den sie vor vier Jahren geheiratet hatte. Und doch hatte er sich verändert. Sie erinnerte sich, wie sie heute morgen erwacht war, in seinen Armen unter den warmen, schweren Wolldecken. Gestern hatte sie den harten, brutalen Kämpfer gesehen, einen Krieger, dessen Berührung sie fürchten sollte. Aber in der vergangenen Nacht hatte er keinen Versuch unternommen, seine Rechte einzufordern.
Statt dessen hatte er ruhig seine Decken am Feuer ausgerollt, direkt gegenüber von Hilario und den anderen Männern. Als sie vollkommen bekleidet unter die kratzige Decke gekrochen war, hatte er dasselbe getan und sie schützend an seine Brust gezogen. Dann war er eingeschlafen. Seltsamerweise hatte sie sich über diese einfache Geste gefreut, und sie fühlte sich vor den Bediensteten kein bisschen verlegen oder gedemütigt. Und sie war mit einem Gefühl von Wärme und Sicherheit erwacht, das sich nicht nur auf den körperlichen Schutz bezog, der von seinem harten männlichen Leib ausging.
Was machte er mit ihr, dieser Mann, den sie doch auf Abstand halten wollte? In einer einzigen Nacht schon hatte er ihr einen Eindruck von Leidenschaft gewährt, von dem geheimnisvollen, sinnlichen Feuer zwischen Männern und Frauen. Das war für ihren unerfahrenen jungen Leib bedrohlich genug. Dieses neue Gefühl, beschützt und geborgen zu sein, zog sie jetzt auf andere Weise in seinen Bann. Welche Macht er über sie ausübte - wenn sie es zuließ. Aber sie hatte geschworen, niemals nachzugeben, und jetzt musste sie sich zwingen, ihren Schwur zu halten.
Reiter zogen über den Hügel hinweg, eine lange Karawane schwer bepackter Maulesel, begleitet von dicken Händlern und Scharfschützen mit harten Gesichtern, die nach der Hafenstadt Guayamas im Süden unterwegs waren. Danach trafen sie noch mehr Reisende, je näher sie ihrem Ziel kamen. Hermosillo war eine große und schöne alte Stadt im üppigen Tal des Sonora. Die Turmspitzen der herrlichen Kathedrale leuchteten in der Sonne, die Glocken riefen die Gläubigen zusammen. Springbrunnen, umgeben von langen, niedrigen Bänken, wurden beschattet von blühenden Orangen- und Zitronenbäumen und boten Schutz vor der brütenden Mittagshitze. Hohe Bäume warfen majestätische Schatten über die Häuser, die die gepflasterten Straßen säumten.
Die Stimmung in der Stadt war gespannt. Sie war besetzt von einer französischen Garnison, deren Kommandant die Zusammenarbeit der Bevölkerung mit dem Bajonett erzwungen hatte. Händler und Kaufleute wurden mit Inhaftierung und der Beschlagnahme ihrer Waren bedroht, wenn sie sich der Befehlsgewalt der kaiserlichen Offiziere nicht beugten und sich weigerten, die Steuern zu entrichten. Geschäfte und Marktstände waren geöffnet, aber nur wenige Käufer begutachteten die Waren oder versuchten zu feilschen. Revolverhelden mit kalten Augen lungerten im Schatten und beobachteten alle Fremden, die in die Stadt kamen. Ihre Blicke waren kühl und abschätzend, ihre Hände ruhten wie zufällig auf den Pistolengurten an ihren Hüften. Überall waren die leuchtend blauen und weißen Uniformen der französischen Soldaten zu sehen. Man hörte ihre melodische Sprache in den Cantinas und öffentlichen Gebäuden.
Wenn Gelächter erscholl, dann kam es aus französischen Kehlen. Die übrigen Menschen waren still und bedrückt.
"Ich glaube nicht, dass es schwer sein wird, Vaqueros anzuheuern, Patron", sagte Hilario zu Nicholas, als sie an einer besonders großen Cantina vorbeiritten.
"Es scheint viele Söldner ohne Beschäftigung zu geben, aber das sind nicht die Männer, die ich suche." Er zuckte die Schultern.
"Die meisten kennen sich mit Tieren nicht aus", stimmte Hilario zu. "Aber ich könnte nach Männern fragen, die den Unterschied zwischen einem Rind und einem Esel kennen."
"Ich bezahle fünfzig Pesos im Monat. Sieh zu, wen du findest. Ich treffe dich heute Abend in der ‚Cactus Cantina’.
Vorher muss ich noch meine Frau und meine Tochter unterbringen."
Hilario nickte und bedeutete Tonio und den beiden Jungen, ihm zu folgen.
Nachdem er den Weg zum Ursulinenkonvent erfragt hatte, ritten Mercedes und Nicho las eine gewundene Seitenstraße hinunter. Grobe Holztore verschlossen das hässliche Gebäude.
Ein Kreuz auf der kleinen Kapelle war das einzige sichtbare Zeichen über den hohen abweisenden Mauern.
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