Wildes Blut
sie hatte die Männer motiviert. Sie könnten dreimal soviel am Tag schaffen, wenn es nicht das harte Gras und die dornigen Kakteen gäbe, die auf dem flachen Landstück zwischen dem Fluss und dem Ackerland wuchsen. Die scharfen Domen und festen Wurzelsysteme mussten mit Macheten zerhackt werden, und die Arbeiter wurden dabei geschnitten und zerkratzt. Der Geruch ihres Blutes lockte die Fliegen an, und es gab die immerwährende Bedrohung durch Infektionen in diesem heißen Klima.
Der ganze Mais wird verdorrt sein, ehe wir das Wasser dorthin bringen, dachte sie verzweifelt und sah zum wolkenlosen azurblauen Mittagshimmel hinauf. Dann fühlte sie das Beben der Erde unter Pferdehufen, noch ehe sie die Staubwolke bemerkte, die die herannahenden Reiter begleitete.
"Don Lucero!" riefen einige der Männer, als sie den herrlichen Hengst erkannten, den ihr Gemahl ritt. Rosario gesellte sich zu den Bediensteten, die ihre Werkzeuge niederlegten oder ihre Mahlzeit unterbrachen, um den Patron zu begrüßen. Nur seine Frau blieb zurück und stand allein unter dem Schatten der Weide am Ufer.
Lucero nahm seine Tochter hoch und schwenkte sie herum, bis sie vor Entzücken quietschte, während Bufon zur Begrüßung lautstark bellte. Sie sah, wie er mit dem großen Hund liebevoll raufte, und wunderte sich wieder, was diese grundlegende Änderung im Verhältnis zwischen ihrem Gemahl und dem Tier bewirkt hatte. Rosario klatschte in die Hände und kicherte über ihre Possen.
Er erweist sich als guter Vater, dachte sie erstaunt. Wer hätte gedacht, dass Lucero Alvarado seine Kinder überhaupt beachten würde, vor allem ein uneheliches Kind, das er nicht anerkennen musste. Er war sogar ins Zimmer seiner Tochter gegangen, um ihr vorzulesen. Mercedes schien all dies nur schwer vereinbar zu sein mit dem gefährlich zornigen Mann, der betrunken ihre Tür aufgebrochen hatte.
Dann flüsterte er Rosario etwas ins Ohr. Das Kind blieb zusammen mit Bufon zurück, als er an den Reitern vorbeiging, die am Ufer ihre Pferde tränkten. Er kam auf sie zu. Sein Haar war schweißnass, und seine Kleidung klebte an seinem Körper.
Viele frische Wunden und Schnittverletzungen an seinen Händen zeugten von den Stunden harter Arbeit mit dem Vieh.
Er hatte die Bandoleros, die er sonst um den Oberkörper geschlungen trug, abgenommen und sein Hemd geöffnet, so dass die sonnengebräunte, behaarte Brust sichtbar wurde. Er kniff die Augen vor dem blendenden Sonnenlicht zusammen und sah sie an, den flachen Hut kühn nach hinten geschoben.
Sein Gesicht enthüllte keinen seiner Gedanken.
"Hallo, Mercedes." Er wartete ab, wohl wissend, dass jedermann sie genau beobachtete und nur darauf wartete, was sie wohl tun würde.
Ihre Kehle war wie zugeschnürt und ihr Mund trockener als die Staubwolken, die die Pferdehufe aufgewirbelt hatten. Er sah stärk und gefährlich aus. Noch immer wusste sie, wie er ausgesehen hatte, als er ihre Tür einschlug. "Du kommst spät.
Rosario und Angelina haben schon gestern mit deiner Rückkehr gerechnet", brachte sie schließlich heraus.
Ein boshaftes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. "Und du hofftest natürlich, dass ich überhaupt nicht mehr zurückkehre."
"Erwarte nicht, dass ich leugne", entgegnete sie.
Er lachte, trat näher und schlang schnell einen Arm um ihre Taille. Dann zog er sie an sich. "Unserem Publikum zuliebe", murmelte er mit tiefer Stimme und küsste sie.
10. KAPITEL
Mercedes erstarrte unter dem plötzlichen Ansturm, als er seinen Mund wild auf ihre Lippen presste. Sie nahm den salzigen Geschmack seines Schweißes wahr, als er seine Zunge zwischen ihre Lippen drängte. Dann zog er sich abrupt zurück, hob den Kopf und sah mit verschleierten Augen auf sie hinunter.
Sein Moschusgeruch vermengte sich mit dem von Tabak und Leder. Dieser männliche Duft beherrschte ihre Sinne und ließ sie verwirrt und atemlos zurück. Sie spürte, wie sich zwischen ihnen die Spannung aufbaute wie nach einem Blitzschlag.
Er strich eine Locke aus ihrer vom Schweiß feuchten Stirn.
"Du hast zuviel gearbeitet. Deine Nase ist von der Sonne verbrannt."
Auf einmal erinnerte sich Mercedes, wie schrecklich sie aussehen musste in der alten camisa und dem abgetragenen blauen Rock, den ledernen Riemensandalen, an denen der Flussschlamm haftete, und mit dem strähnigen Haar. "Deine Mutter weist mich stets darauf hin, dass ich mehr auf meine damenhafte Blässe achten sollte."
"Ich wollte dich nicht zurechtweisen." Er ließ sie los, doch
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