Wildes Blut
alles hergeben würde, wonach die Soldaten verlangten. Der Colonel hatte sie in der zweiten Nacht seines "Besuchs" im Weinkeller abgefangen in der Absicht, ihr Gewalt anzutun. Sie hatte ihn mit dem alten Walker Colt verscheucht, den sie gegen Lucero nicht einsetzen konnte.
Nachdem sie die französische Patrouille zum Abzug gezwungen hatte, indem sie so lange die Waffe auf die Brust des Colonels gerichtet hielt, bis er auf seinem Pferd saß, hatte Pater Salvador ihr eine schwere Buße auferlegt. Mercedes hatte seine Vorhaltungen hingenommen, aber danach war ihr Verhältnis gespannt und von Misstrauen geprägt gewesen. Er verstand nicht, dass eine Frau die Rolle des Mannes übernahm. Das war unnatürlich und gegen den Willen Gottes. Aber Mercedes hatte ihre neuen Aufgaben nicht aufgeben wollen. So hatten sie in ihrer Beziehung einen Tiefpunkt erreicht.
Zumindest konnte der Priester ihr seit Luceros Rückkehr nichts mehr vorwerfen, und die Feindseligkeit zwischen Pater Salvador und ihrem Gemahl ging so tief, dass ihre Sünden im Vergleich dazu verblassten. Bei diesem Gedanken fasste sie etwas Mut und klopfte an die Tür seines Arbeitszimmers. Als er sie dazu aufforderte, trat sie ein.
Pater Salvador sah von seinem Brevier auf. "Guten Morgen, Dona Mercedes. Was kann ich für Sie tun? Gibt es etwas Besonderes zu beichten?"
"Nein, Pater. Ich bin nicht gekommen, um zu beichten."
"Nun, was ist es dann? Sie haben die Messe versäumt, die ich vor einer Stunde in Dona Sofias Gemächern hielt. Es wäre tröstlich für sie, wenn Sie häufiger dabei wären."
Die allmorgendliche Gegenwart von Mercedes war sicher das letzte, wonach ihre Schwiegermutter sich sehnte. Sie tolerierte die Gemahlin ihres Sohnes kaum an den Sonntagen. "Ich bin wegen Rosario gekommen, Pater."
"Rosario? Sie meinen das Kind, das Ihr Gemahl hier hergebracht hat?" Sein bleiches Gesicht rötete sich.
"Seine Tochter, ja."
"Aber nicht Ihre", warf er ein und musterte sie scharf.
"Sie ist das Kind meines Gemahls, ein unschuldiges, hübsches kleines Mädchen, und ich mache mir Sorgen wegen ihrer Zukunft."
"Ah." Er ging um den Tisch herum und legte eine Hand auf ihre Schulter.
Mercedes empfand diese Geste als unnatürlich.
"Es wäre am besten, wenn Sie eigene Kinder hätten. Zu gegebener Zeit wird Gott in seiner Gnade dafür Sorge tragen.
Vielleicht, wenn Sie zur Heiligen Jungfrau beten ..."
Jetzt errötete sie. "Nein - das heißt, natürlich wünsche ich mir Kinder, aber das hat nichts mit meinen Gefühlen für Rosario zu tun."
"Ich erkenne die Verantwortung Ihres Gemahls gegenüber dem Mädchen, aber es wäre klüger gewesen, er hätte für sie an einem anderen Ort gesorgt als auf Gran Sangre. Mit seiner Untreue zu prahlen hat seine Mutter schmerzlich an seine und seines Vaters Schwächen erinnert. Ich dachte, auch Sie ..."
"Rosario ist ein kleines Mädchen, keine schmerzliche Erinnerung an irgend etwas", gab sie verärgert zurück. "Sie ist Dona Sofias erstes Enkelkind."
Er schüttelte den Kopf, und zum erstenmal wirkte er nicht wie der strenge, selbstsichere Mahner, sondern wie ein unsicherer alter Mann. "Ja, ja, daran habe ich auch schon gedacht - und dafür gebetet. Sie versteht die Verantwortung der Familie Alvarado gegenüber dem kleinen Mädchen, aber die Mutter des Kindes war ein Mischling."
"Deswegen ist Rosario trotzdem Luceros Tochter." Ihre Stimme klang vorwurfsvoll.
Er seufzte. "Ich habe versucht, Dona Sofia dazu zu bringen, diese Tatsache zu akzeptieren, doch ihr Sohn war selbst niemals ein einfaches Kind, sondern genau wie sein Vater stets eine Last für sie. Es fällt ihr schwer, es zu ertragen, dass ein illegitimes Kind im Wohntrakt des Herrenhauses lebt. Sie ist alt und an die Traditionen gewöhnt."
"Und was ist mit Ihnen, Pater? Sind auch Sie zu alt, um sich zu ändern?" Sie sah ihn an und spürte seine Schuldgefühle und seine Verwirrung. Sofia soll verdammt sein, dass sie so eine Heuchlerin ist.
Seine kühlen blauen Augen wirkten ein wenig freundlicher.
"Ich bin ein alter Mann, der versucht hat, den Familien Obregon und Alvarado, zwei der vornehmsten Häuser Mexicos, ein geistlicher Führer zu sein. Allmählich wird es Zeit für mich, meine Aufmerksamkeit der jüngeren Generation zuzuwenden. In meinem Kummer um Ihre Schwiegermutter bin ich Ihnen kein so guter Ratgeber gewesen, wie ich es hätte sein sollen."
"Ich bin nicht diejenige, die jetzt Ihren Beistand benötigt, Pater", sagte Mercedes. Die erstaunliche
Weitere Kostenlose Bücher