Wildes Blut
gestern vorgelesen. Ihre Fortschritte sind beachtlich."
"Das verdanken wir Pater Salvador", erwiderte sie.
Ehe er etwas entgegnen konnte, betrat Baltazar eilig den Raum. Sein normalerweise ruhiges Gesicht drückte Erregung aus. "Patron, es nähern sich Soldaten."
"Imperiale oder Juaristas?" fragte Nicholas und eilte zu dem Kabinett, in dem er seine Waffen aufbewahrte.
"Ich weiß es nicht. Ich habe nach Gregorio schicken lassen, wie Sie es für einen solchen Fall angeordnet haben."
"Gut. Meine Männer wissen, was zu tun ist", erwiderte Fortune und prüfte nach, ob sein Henrystutzen geladen war. Er sicherte die Waffe wieder und wandte sich an Mercedes. "Hol Rosario und bring sie in die Küche. Was immer du tust, bleib außer Sichtweite."
"Ich kann schießen, Lucero. Ich bin früher allein den Soldaten entgegengetreten", gab sie zurück. Sie ärgerte sich über seine knappen Anweisungen.
"Nun, das musst du nicht mehr. Tu das, was ich sage. Denk an das Kind, wenn schon nicht an dich selbst", fuhr er sie ungeduldig an.
Der Gedanke an Rosario erstickte ihre wütende Erwiderung.
Sie nickte und nahm ein Gewehr mit sich.
Fortune hatte zusammen mit seinen Männern einen Plan entwickelt für den Fall, dass Marodeure, egal welcher Seite, nach Gran Sangre kamen. Die Wände des massiven, quadratischen Gebäudes waren vier Fuß dick. Die Fenster, die zum Innenhof führten, waren groß, doch die nach außen hoch und schmal wie Schießscharten. Wie die meisten Haziendas im Norden war Gran Sangre als Festung erbaut worden.
Bis er den Hof erreichte, waren alle Männer auf ihren Posten, oben auf dem Dach und an den Durchgängen. Als er in Hermosillo neue Vaqueros anstellte, war es ihm auch gelungen, einige Waffen zu beschaffen, um sie damit auszustatten. Die neuen Gewehre waren von einer Gruppe contre-guerillas sichergestellt worden, die die amerikanischen Waffen auf dem Weg nach Chihuahua zu General Escobedos Armee abgefangen hatten.
Rasch durchquerte er den Hof, wo Hilario und sein junger Kamerad Gregorio am Haupttor zur Straße warteten. Er hatte Gregorio Sanchez nicht gefragt, für welche Seite er gekämpft hatte, das interessierte ihn nicht. Für ihn war nur wichtig, dass Sanchez jetzt Gran Sangre die Treue hielt. Und Hilario hatte sich für den Jüngling verbürgt.
Gregorio spähte auf den Weg hinaus, wo eine Staubwolke das Kommen der Soldaten ankündigte. Mit ernster Miene sah er durch das Fernrohr. "Es sind Juaristas, Patron. Etwa zwanzig, und sie kommen schnell näher." Er gab das Glas an Fortune weiter.
Nicholas betrachtete die Gruppe und erkannte die Insignien der Republik Mexico, die der Offizier trug. "Sie sind nicht gut bewaffnet. Ich glaube nicht, dass sie einen Kampf suchen. Ich frage mich, was zum Teufel sie hier wollen."
"Vielleicht werden sie von den Franzosen verfolgt?"
vermutete Hilario.
Nicholas zuckte die Schultern. "Das ist nicht wahrscheinlich.
Aber es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden." Er sah, dass der Lieutenant seinen Männern ein Zeichen gab, und sie hielten am Fluss, da, wo er dem Haus am nächsten war. Er bemerkte, dass sie darauf achteten, die Felder nicht zu zertrampeln.
Der Lieutenant war ein kleiner, dünner Mann. Sein schmales Gesicht wurde von einem großen Schnurrbart beherrscht. Er ritt zum Haupttor, flankiert von zwei seiner Männer. Nachdem er die drei Bewaffneten mit geschultem Blick gemustert hatte, saß er ab. "Guten Tag", sagte er und lächelte breit. "Ich bin Lieutenant Bolivar Montoya von der Armee der mexikanischen Republik."
"Don Lucero Alvarado, Patron von Gran Sangre, einer großen Hazienda, die ein Opfer der schlechten Zeiten geworden ist", entgegnete Nicholas.
"Wem von uns erscheinen die Zeiten nicht schlecht, Don Lucero? Meine Männer und ich verfolgen keine bösen Absichten. Wir sind auf dem Weg zu General Diaz im Süden.
Unsere Pferde saufen das Flusswasser, aber meine Männer könnten ein wenig Trinkwasser aus Ihrem Brunnen gebrauchen.
Ist das möglich?"
Montoya war die personifizierte Höflichkeit. Doch war Trinkwasser wirklich alles, was er begehrte? Fortune betrachtete seine Uniform. Sie war längst nicht so prächtig wie die der Franzosen, aber immerhin war es eine richtige Uniform. Er hatte das Gebaren eines erfolgreichen Soldaten, und seine Männer waren einheitlich uniformiert. Es waren keine Banditen, aber das bedeutete nicht, dass sie kein Vieh, keine Lebensmittel oder ähnliches für die Republik beschlagnahmen würden. "Ihre Männer
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