Wildes Blut
Beichtgeheimnis nicht verletzen", entgegnete er streng.
Dann ließ er sich mit einem Seufzer auf den harten Stuhl hinter seinem Schreibtisch sinken. "Ich will damit sagen, dass ich mir Sorgen um ihr Seelenheil mache."
"Sie meinen, weil sie ihren Sohn hasst?"
Er hob abrupt den Kopf. "Wie können Sie - das hat sie doch gewiss niemals ausgesprochen!"
"Nicht mit Worten, nein, und auch mein Gemahl war bei diesem Thema wenig gesprächig. Aber ich habe sie zusammen gesehen - und noch mehr. Ich habe in den vergangenen vier Jahren mit ihr zusammen gelebt, während er fort war. Sie wirft ihm die Sünden seines Vaters vor."
"Er muss sich für seine eigenen verantworten", entgegnete Pater Salvador.
"Ja, das muss er, aber das entschuldigt nicht ihr Verhalten ihm gegenüber. Ich glaube, sie hat ihn schon als Kind nicht geliebt", sagte Mercedes nachdenklich und erinnerte sich an entsprechende Bemerkungen, die Lucero in den vergangenen Monaten gemacht hatte.
"Er war ein schwieriges Kind, eigensinnig und verwöhnt. Die meisten criollos scheinen so geboren zu werden. Aber er war auch sehr lebhaft und von rascher Auffassungsgabe. Dieser wache Verstand hat ihn immer wieder in Schwierigkeiten gebracht, doch ich hätte seine Möglichkeiten erkennen müssen wie jetzt bei seiner Tochter. Leider tat ich es nicht, und dafür werde ich mich eines Tages zu verantworten haben." Er hob den Kopf und starrte blicklos vor sich hin, dann fuhr er fort: "Er war böse und ungehorsam und nahm lieber die schwersten Bußen auf sich, als ein sündhaftes Wort oder eine Tat zurückzunehmen.
Er stahl und log, aber wenn er wollte, konnte er mit seinem Charme einen Stein erweichen."
Sie lächelte schwach. "Ohne Zweifel das Erbe von Don Anselmo."
"Ja", erwiderte er. "Lucero bewunderte den üppigen Lebensstil seines Vaters und versuchte, ihn darin zu übertreffen."
"Als einziger Sohn Don Anselmos war es nur natürlich, dass er sich seinem Vater zuwandte, unabhängig davon, dass der ein schlechtes Vorbild war. Vielleicht suchte Lucero nur jemanden, der ihm Liebe gab", fügte sie leise hinzu.
Pater Salvador schien vor ihren Augen zu altern. "Ja, nach so langer Zeit sehe ich mich gezwungen, meine eigene Schuld zu erkennen. Ich habe nicht bemerkt, dass der Sohn seinem Vater nacheiferte, um diesem zu imponieren. Aber jetzt geht es nicht um meine Schuld, sondern um die seiner Mutter. Sie und Lucero sollten sich versöhnen, ehe sie stirbt."
Mercedes sah ihn erstaunt an. "Wollten Sie mich deswegen sprechen?"
"Mit wem sollte ich sonst sprechen? Sie sind seine Gemahlin.
Er wird den Vorschlag eher von Ihnen als von mir annehmen.
Wir sind nicht sehr gut miteinander ausgekommen, seit ich ihn zum erstenmal dabei ertappte, wie er den Schäferhund eines Peons mit einem Lederriemen schlug. Lucero hatte schon immer einen Hang zur Grausamkeit."
Mercedes dachte daran, wie lieb Bufon ihren Ehemann gewonnen hatte, und warf ein: "Aber er hat sich verändert. Er kann gut mit Tieren umgehen."
Er lächelte dünn. "Sehen Sie? Sie sind der einzige Mensch, der ihn erreichen kann. Wenn er zu seiner Mutter geht, nun, da sie im Sterben liegt, können die beiden vielleicht zu einer Versöhnung gelangen. Das ist nicht nur für sie wichtig, sondern auch für ihn."
Sein durchdringender Blick ruhte auf ihr, als wollte er sie zur Zustimmung zwingen. "Ich will es versuchen, Pater, aber ich kann nichts versprechen."
"Das ist doch wohl nicht dein Ernst", sagte Nicholas und zog eine Braue hoch, als sie einander am darauffolgenden Abend in seinem Arbeitszimmer gegenüberstanden. Er schenkte Madeira als Aperitif ein. Dann reichte er ihr ein Glas und sagte: "Aber da du eine gläubige Christin bist, musst du es ernst meinen. Ich soll also mit meiner geliebten mamacita auf ihrem Totenbett versöhnt werden, ja? Das ist sinnlos, Mercedes", verkündete er schließlich. "Sie hat mich verachtet vom Tage meiner Geburt an, und sie soll ihren Hass ins Grab mitnehmen. Mir soll es recht sein." Bitterkeit sprach aus seinen Worten, als er an das kalte, abweisende Gesicht einer anderen Mutter dachte.
"Pater Salvador ..."
"Und der alte Bastard soll ihr so bald wie möglich folgen", unterbrach er sie, dann schluckte er den Rest Madeira hinunter.
"Ich glaube, er bedauert, wie er dich behandelt hat. Rosario hat ihn seine Fehler erkennen lassen. Er will es wiedergutmachen, Lucero."
Bei der Erwähnung des Kindes wurden Nicholas' Züge weicher. "Rosario scheint mit ihm gut zurechtzukommen. Sie hat mir
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