Wildes Blut
kündete, hörte Rachel, wie Adam in Jubelgeheul ausbrach, und sie wußte, daß die Sorge des älteren Mr. Keife jetzt vorbei war.
»Pa!« brüllte Adam aus dem Erdreich, »ich steh’ knöcheltief im Wasser! Hast du gehört, Pa? Miss Wilder hat recht gehabt! Hier unten ist Wasser, und zwar reichlich – und süß wie der Weihnachtsmorgen!«
Nach einem kurzen warnenden Schrei warf der junge Mann seine Schaufel aus dem Loch, dann hangelte er sich am Seil hoch. Er strahlte übers ganze Gesicht und schäumte vor Übermut. Er packte Rachel bei den Händen, zog sie hoch und tanzte lachend mit ihr im Kreis. Sie errötete beschämt. Aber lachen mußte sie trotzdem, und ihre Röcke flogen wie die eines Schulmädchens und entblößten ihre wohlgeformten Knöchel, die im Zwielicht blitzten, während Adam sie immer schneller herumwirbelte.
Slade verspürte zwar einen kleinen Stich bei diesem Anblick, als er selbst aus dem Loch kletterte, aber er freute sich über Rachels sorglose Fröhlichkeit und wischte sich mit seinem zerknitterten Hemd den Schlamm vom Gesicht. In ihrem Leben gab es so wenig Fröhlichkeit, daß er ihr diesen Augenblick gönnte. Also blieb er stehen und beobachtete sie schweigend, bis Adam sich der Unziemlichkeit seines Handelns bewußt wurde und Rachel abrupt losließ. Er entschuldigte sich betreten bei Slade und ihr.
»Tut mir leid. Ich – es ist einfach mit mir durchgegangen, weil das Wasser genau da war, wo Miss Wilder gesagt hat und so. Ich hab’ selber meine Zweifel gehabt, das muß ich zugeben, genau wie Pa. Ich – ich wollte Sie nicht beleidigen, wirklich nicht«, sagte Adam.
»Schon in Ordnung«, sagte Slade kurz, aber ihm entging nichts von Rachels Atemlosigkeit, ihren roten Wangen, der Art, wie sie seinem Blick auswich. Er sagte nach kurzer Pause: »Nun, es ist schon spät. Wir werden aufbrechen, damit ihr euch aufs Ohr hauen könnt. Ihr wollt sicher morgen beim ersten Sonnenstrahl aufstehn und den Brunnen fertiggraben. Rachel, Schätzchen, warum rechnest du nicht mit Mr. Keife ab, während ich die Pferde anspanne?«
»Ja, Slade«, sagte sie.
Rachel nahm fünf Dollar in bar von Mr. Keife, und für den Rest ließ sie sich wertvolle Lebensmittel geben, von denen die Neuankömmlinge aus dem Osten noch reichlich hatten, im Vergleich zu dem, was die Leute aus der Prärie besaßen. Sie freute sich besonders auf das Glas Traubengelee, das sie sich ausgesucht hatte. Sie konnte es fast schon schmecken, gut und süß auf heißem, frischgebackenem Brot. Rachel verabschiedete sich von der Familie Keife und sah sich dann erwartungsvoll nach Slade um; den Korb mit den Lebensmitteln trug sie behutsam wie den heiligen Gral. Slade saß im Wagen und unterhielt sich mit Adam. Ihr Herz machte bei diesem Anblick einen kleinen Satz, denn die beiden Männer unterhielten sich so leise, daß sie nichts verstehen konnte, und sie hoffte inständig, der Revolvermann bedrohte den jungen Mann nicht. Adams Gesicht war sehr ernst.
»Mr. Maverick«, sagte er zu Slade. »Ich hoffe doch, Sie sind nicht böse, weil ich mit Miss Wilder getanzt habe – ich sage das nicht nur, weil sie als Revolvermann und Kopfgeldjäger bekannt sind.«
»Ach?« Slade hob eine dunkle Augenbraue.
»Jawohl, Sir. Revolver interessieren mich«, erklärte ihm Adam. »Also versuch’ ich, möglichst viel über die zu erfahren, die gut damit umgehen können. Deswegen weiß ich, daß Sie einer der Besten sind, und deswegen möchte ich Sie nicht beleidigen. Sie müssen wissen, ich weiß auch, daß sie Eves Onkel sind, und … nun, ich möchte um Ihre Erlaubnis bitten, sie – sie zu besuchen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Es war also tatsächlich die junge Eve, die dir so gefallen hat, nicht wahr?« fragte Slade. Allmählich fand er den jungen Mann ganz amüsant. Er mußte zugeben, daß Adam Mumm hatte. Nicht viele Männer, ob jung oder alt, hätten es gewagt, mit der Verlobten eines Mannes ohne seine Zustimmung zu tanzen – und hätten dann noch den Nerv gehabt, ihn um eine Verabredung mit seiner Nichte zu bitten. »Komisch. Ich hätte schwören können, es war Rachel.«
»Miss Wilder? Oh, die ist sehr freundlich und nett, und ich mag sie auch. Aber sie ist älter als ich, soviel ich verstanden habe, und außerdem, ich hab’ zwar heute erst erfahren, daß sie Ihre Verlobte ist, aber ich hab’ gestern schon gemerkt, woher der Wind da weht. Ich hoffe, ich trete Ihnen nicht zu nahe, Mr. Maverick. Ich möchte nicht unverschämt sein,
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