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Wildes Blut

Wildes Blut

Titel: Wildes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Brandewyne
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griff Rachel pflichtschuldig in ihren Beutel, um etwas zu spenden, aber Slade hielt ihre Hand fest.
    »Behalt dein Geld, meine Süße«, flüsterte er ihr ins Ohr, »denn du brauchst es viel dringender als dieser versoffene, alte Scharlatan da oben. Wenn der auch nur ein Zehntel seiner Einnahmen irgendeiner Kirche, Mission, Waisenhaus oder ähnlichem gibt, freß ich meinen Hut.«
    »Du – du meinst, er ist ein Betrüger?«
    »O nein, so würd’ ich das nicht direkt nennen. Schließlich und endlich predigt er ja wirklich das Wort Gottes, wenn du das meinst, Rachel, mein Schatz. Trotzdem sollte man ihn auspeitschen, weil er diesen ehrlichen, hart arbeitenden Leuten einredet, daß die Spenden, die sie kaum entbehren können, einer guten Sache zukommen. Ich wette nämlich, daß die einzigen, die davon profitieren, Prediger Proffitt und seine drei Frauen sind. Wenn die gesunde Gesichtsfarbe nicht aus einem Rougetopf kommt, freß ich auch noch meine Stiefel!«
    Schockiert und mißtrauisch musterte Rachel Schwester Jemima und Oralie, wie sie mit ihren Sammeltellern durch die Reihen gingen. Jetzt mußte sie zugeben, daß Mutter Natur wohl wirklich nichts mit ihrem frischen Aussehen zu tun hatte, und Rachel bemerkte außerdem, daß die Corsagen der langweiligen Gewänder der Schwestern so raffiniert geschnitten waren, daß sie jedesmal, wenn eine der Frauen sich mit ihrem Sammelteller nach vorne beugte, aufklafften und den Blick auf ihren üppigen Busen freigaben. Ein älterer Farmer, den Schwester Oralie so erfreute, verlängerte den Einblick, indem er dreimal in die Tasche griff, um zu spenden.
    Sobald die Hymne zu Ende war, warf Prediger Proffitt einen heimlichen Blick auf seine Einnahmen. Dann stürzte er sich mit doppelter Begeisterung auf den auserwählten Text und tischte den Menschen eine so geschickte Mischung von Bibeltexten und eigenen Worten auf, daß sogar Rachel, die ihre Bibel sehr wohl beherrschte, unsicher war, was woher kam. Aber die Gemeinde schien diese kleinen Abweichungen gar nicht zu bemerken. Die Leute klatschten nach wie vor wie besessen, stampften mit den Füßen und feuerten Prediger Proffitt mit Pfiffen an.
    »Brüder und Schwestern«, schrie er, während er mit anklagendem Zeigefinger auf die halbgefüllten Sammelteller deutete, »ist dieses armselige Almosen das Beste, was ihr zu bieten habt? Schande! Schande! Wie ich sehe, bin ich keinen Moment zu früh in eure schöne Stadt gekommen! Wahrlich, die Gerüchte trügen nicht, das ist wirklich eine Stadt des Lasters und der Korruption wie Sodom und Gomorrha!
    Aber, welchen Lohn hat ein Mensch für all seine Arbeit, seine Pläne und seine Mühsal hier unter der Sonne? fragt ihr mich vielleicht. Ist es nicht besser, zu essen, zu trinken und fröhlich zu sein? Nein, sage ich euch, denn wo liegt der Nutzen dessen? Geld ist die Antwort auf alle Dinge, und es unbedacht auszugeben, heißt, den Herrn zu betrügen, denn hat nicht er auch gesagt, daß ihr ihn um seine Zinsen und Beiträge betrogen habt? Und hat er nicht gesagt, daß auf euch allen ein Fluch liegt, auf euch allen, weil ihr ihn betrogen habt? Und hat er euch nicht aufgefordert, die Zinsen in die Schatzkammern zu bringen, alle … so wie wir es jetzt tun werden! Schwester Jemima und Oralie, reicht die Sammelteller noch einmal herum, während Schwester Tansy Mae mit uns ›Bringing in the Sheaves‹ anstimmt, während wir uns freuen, daß der Fluch, den Gott diesen armseligen und unwürdigen Sündern auferlegt hat, durch ihre Güte und Großzügigkeit von ihnen genommen wird!«
    Während dieser zweiten Kollekte hörte Rachel plötzlich draußen ein lautes Rumpeln. Zuerst dachte sie voller Angst, ein Sturm würde aufziehen, aber dann merkte sie, daß es die Feuerwerkskörper waren, mit denen die Feiern zum Nationalfeiertag beendet wurden. Nachdem jetzt die Sterne am Himmel aufgegangen waren, zündeten die Festgäste ihre Raketen und Kracher an. Rachel wollte das Feuerwerk unbedingt sehen, aber das Zelt war so vollgepackt, daß man sich kaum noch bewegen, geschweige denn zum Ausgang durchkämpfen konnte.
    Sie war aber nicht die einzige, die unruhig wurde. Zahlreiche Leute im Zelt, die sich hektisch zufächelten, fingen jetzt an zu husten und mit den Füßen zu scharren, als Schwester Tansy Mae noch eine weitere Strophe von ›Bringing in the Sheaves‹ jaulte. Eine junge Frau ging sogar so weit, Schwester Jemimas Sammelteller ungeduldig wegzuschubsen und eine bissige Bemerkung zu machen –

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