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Wildes Blut

Wildes Blut

Titel: Wildes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Brandewyne
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in den Saloon und holst Mr. Beecham.«
    Der große Tagelöhner richtete sich langsam im Sattel auf und schüttelte den Kopf, auf dem ein triefnasser brauner Filzhut saß.
    »Der Herr steh’ uns bei, Miss Rachel«, stöhnte er. »Ich hab’ gewußt, daß Sie das sagen! Haben Sie vergessen, was das letzte Mal passiert ist, wie ich den Mann da rausholen wollte? Da hamse mich fast umgebracht, Miss Rachel – und das wissen Sie auch! Die stehn hier in Delano nicht auf Schwarze, und ich laß meine Haut wegen diesem Taugenichts Mister Beecham nicht an die Scheunentür nageln! Nääh, wirklich nicht – und das ist mein letztes Wort zu diesem Thema!« Der Schwarze nickte energisch und ließ sich dann gelassen wieder auf seinem Maultier zusammensinken, ohne einen Blick auf Rachels wütendes Gesicht zu werfen.
    »Poke«, sagte sie verärgert, »ich weiß wirklich nicht, warum ich mir das alles von dir bieten lasse.«
    »Weil ich wahrscheinlich der einzige Mensch in Kansas bin ~ außer Ihrem Opa natürlich –, der sich nicht vor Ihrer scharfen Zunge fürchtet, Miss Rachel«, erwiderte er ungerührt.
    »Scharfe Zunge?« rief sie. »Poke, paß auf, was du sagst! Bloß weil ich ehrlich bin und meine Meinung sage, wie es jeder sollte – wenn das nämlich mehr Leute tun würden, statt um den heißen Brei herumzureden oder schamlos zu lügen, wäre die Welt nicht in so einem traurigen Zustand!«
    »Vielleicht haben Sie recht, Miss Rachel«, räumte Poke ein, »aber keiner mag die Wahrheit über sich selbst hören – und das ist Tatsache! Ehrlichkeit muß man in kleinen Dosen austeilen und auch nur denen, die es vertragen können. Ich weiß, daß Sie immer versuchen, das Richtige zu tun, Miss Rachel, weil Sie tief im Herzen der gutherzigste Mensch sind, den ich kenne, aber in den Augen der Welt haben Sie einen Haufen mehr Mumm als Ihnen zusteht, und das können die, die keinen haben, einfach nicht verzeihen – schon gar nicht einer Frau. Deswegen glauben sie alle, Sie sind ein böses Weib, Miss Rachel!«
    »Hm«, schnaubte Rachel verächtlich, aber sie sah, daß der Schwarze ungerührt war und gar nicht daran dachte, ihr zu helfen. Sie seufzte, dann sagte sie: »Also, Poke, nachdem du mir nicht helfen willst, bleibt mir wohl keine andere Wahl, als mir Mr. Beecham selbst vorzuknöpfen!«
     
    Ein scharfer Wind peitschte über die regengetränkte Ebene, und aus den aufgedunsenen grauen Wolken, die über den Himmel rollten, klatschte stetig der Regen. Ab und zu stach am fernen Horizont die krumme Gabel eines Blitzes in die Erde, und der Donner grollte eine unheilschwangere Warnung. Im unsteten Licht verharrte ein Reiter auf der verschneiten Spitze eines Präriehügels, eine einsame Gestalt, die sich gegen den Himmel abzeichnete. Unter der breiten, flachen Krempe seines Sombreros schaute er mit zusammengekniffenen Augen zum bewegten Firmament hinauf. Ein Sturm braute sich zusammen.
    Der Mann kaute gedankenverloren an dem Zigarillo, den er rauchte, zog den hochgeschlagenen Kragen seines Staubmantels enger um sich und erschauderte kurz vom Wind und von der Nässe. Er hatte einen langen, harten Ritt hinter sich und freute sich auf eine Rasur, ein Bad, eine heiße Mahlzeit und ein warmes Bett. Er schnalzte mit der Zunge und gab dem Pferd kurz die Sporen. Wenn er sich beeilte, konnte er es bis Einbruch der Dämmerung – und des Sturms – bis Wichita schaffen.
    Schließlich erspähte der einsame Reiter, der allmählich schon glaubte, er hätte sich auf der kahlen, trostlosen Ebene verirrt, zu seiner Erleichterung die Stadt, die sich wie ein einsames Schiff auf einem weiten dunklen Meer aus dem Flachland erhob. Ein willkommener Anblick. Er galoppierte darauf zu und verlangsamte sein Tempo erst, als er in die Stadt hineinritt. Er ignorierte kühl das große Warnschild, das das Tragen von Feuerwaffen innerhalb der Stadtgrenzen strikt verbot, und knöpfte seinen Staubmantel ein Stück auf, damit er, falls nötig, raschen Zugriff zu seinen Revolvern hatte.
    Wie immer, wenn er sich Orten mit vielen Menschen näherte, war der Mann gespannt wie eine Feder. Er war voller Mißtrauen und musterte argwöhnisch seine triste Umgebung; er bemerkte die zwielichtigen Bars und Bordelle, die die Straße säumten, die schmierigen kleinen Missetäter und Nutten, die trotz des unfreundlichen Wetters auf dem Gehsteig herumlungerten. Verächtlich verzog er den Mund. Das war also das berüchtigte West Wichita … Delano. Es war auch nicht schlimmer als viele

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