Wildes Blut
– und das, obwohl er zugeben mußte, daß er den Schweden mochte und respektierte. Und nachdem Slade begriffen hatte, daß der Schwede sie tatsächlich geküßt hatte, hatten ihn Mordgelüste gepackt. Beim Triumphschrei des Schweden hatten sich seine Nackenhaare aufgestellt, und er hatte die Revolver schon fast aus der Halfter gezogen, als ihm klar wurde, daß er nicht so einfach hinter ihm herreiten und ihn erschießen konnte. Nur ein einziges Mal hatte er etwas so Unbedachtes wegen einer Frau getan – er, der so gelassen und kühl war.
Aber er hatte Thérèse geliebt – die kühne, schöne Thérèse –, und am Ende hatte seine Liebe sie getötet. Sie war jetzt auf ewig in einer Steinkrypta eingeschlossen – und sein Herz mit ihr, das hatte er zumindest geglaubt. Aber er konnte die Gefühle nicht leugnen, die sich in ihm regten, als sein Mund Rachels Lippen traf, dann über ihre Wange zu ihrer Schläfe und ihrem Haar glitt. Er knabberte an ihrem Ohr, was sie erschauern ließ, und flüsterte ihr Worte zu, die sie nicht verstand, denn er war instinktiv ins Französische verfallen, das so viel melodischer und schöner klang als Englisch und viel geeigneter war, einer Frau im Mondlicht den Hof zu machen.
Seine Worte überströmten Rachel wie der Fluß den Sand und wuschen das bißchen Widerstand, das sie ihm entgegenbrachte, vollkommen weg. Er küßte sie immer und immer wieder, sie spürte seinen Atem warm auf ihrer Haut, seinen kitzelnden Schnurrbart und diese Lippen, die wie geschmolzenes Erz ihren Hals zu ihrem Herzschlag hinuntertroffen, der in der Mulde ihres Nackens pulsierte. Sie spürte den harten Beweis seiner Leidenschaft für sie durch ihr Kleid an ihren Schenkeln, und in ihrem Inneren pochte ein brennender Schmerz, den sie nie zuvor empfunden hatte und nicht begreifen konnte. Sie wußte nur, daß sie wie eine Frau im Fieberwahn nach Slades Küssen lechzte, die aber ihren Durst nicht löschten, sondern wie die sengende Sonne auf ihrer Haut und wie Salz in ihrem Mund brannten und ihr Fieber, ihren Durst noch steigerten. Plötzlich meinte sie zu wissen, daß sie mehr von ihm wollte, viel mehr.
Der Gedanke schockierte und ängstigte sie, und endlich gelang es ihr, sich von ihm loszureißen, so plötzlich, daß sie stolperte und fast gefallen wäre.
»Nein, faß mich nicht an, bitte«, flehte sie, als Slade die Hand ausstreckte, um ihr zu helfen. »Bitte.«
Dann raffte sie ihre Röcke zusammen und rannte zum Haus. An der Tür blieb sie stehen, um ihr zerzaustes Äußeres etwas zu ordnen und Luft zu holen, bevor sie ins Haus ging. Slade folgte ihr etwas langsamer, ließ ihr Zeit, sich zu fangen – die auch er brauchte, nachdem ihm klar geworden war, wie deutlich sie seine Erregung gespürt haben mußte.
Gott, was war nur an dieser Frau, das ihn so sehr erregte? Sie war nicht wirklich schön wie einige der Frauen, die er in der Vergangenheit besessen hatte. Er vermutete sogar, daß die meisten Männer sie bestenfalls einigermaßen hübsch finden würden, und mit ihrem Temperament war bestimmt kein Preis zu gewinnen. Aber trotzdem hatte sie eine seltsame Anziehungskraft, die ihn faszinierte, wie es keine Frau seit Thérèse geschafft hatte.
Mein Gott, Slade, so wie du dich benimmst, möchte man ja fast glauben, du bist in sie verliebt, dachte er. Und du kennst sie kaum einen Monat! Sei bloß auf der Hut, sonst bist du an der Leine, ehe du dich’s versiehst!
Und das wollte er auf gar keinen Fall – nicht wahr? Aber einen Moment lang, bei der Erinnerung an den süßen Geschmack von Rachels Mund, war er sich nicht mehr so sicher. Kopfschüttelnd fragte er sich, was wohl India zu all dem gesagt hätte. Sie hatte ihm doch wohl nicht geschrieben, er solle sich um die Kinder kümmern, in der Hoffnung, ihn dabei gleich an »Tante« Rachel verheiraten zu können? Oder etwa doch? Slade mußte grinsen.
Mein Gott, India, dachte er, jetzt, wo ich darüber nachdenke, bin ich mir sicher, daß du genau das geplant hast! Du fandest wohl, ich hätte mich lange genug herumgetrieben, was? Na ja, vielleicht hast du ja recht gehabt. Ich weiß es nicht. Ich muß darüber nachdenken. Auf jeden Fall wäre Rachel für Ox die reinste Verschwendung. Und soviel wie der ißt, würde sie ihn wahrscheinlich schnell fertigmachen, wenn er sie mal beim Essen ärgert. Ein Glück für uns, daß das Abendessen schon gekocht war, bevor wir ihren Stuhl demoliert haben!
Grinsend kehrte Slade ins Haus zurück und hoffte inständig, daß
Weitere Kostenlose Bücher