Wildes Erwachen
den Schultern gezuckt, seine Hose hochgezogen und wortlos das Zimmer verlassen. Ob sie ihn auf die zärtliche Tour herumkriegen könnte?
Der Bericht, den ihm Schuster telefonisch übermittelte, konnte zunächst deprimierender nicht sein: kein Geländewagen in der Scheune, kein solcher Wagen auf den Wirt zugelassen.
»Aber das ist doch nicht möglich, ich habe das Auto doch gesehen!«, entfuhr es Kral. Sofort kam ihm ein beunruhigender Gedanke: Du kannst den Wagen nur sehr vage beschreiben. Nun soll es den gar nicht geben! Am Ende bildest du dir die Karre nur ein! Posttraumatische Erinnerungsstörung! Prost Mahlzeit! Wie stehe ich denn da, wenn Schuster das so ähnlich sieht?
Doch Schuster zweifelte nicht an seiner Beobachtung, denn er verwies jetzt auf seinen Kollegen Grünling von der Spusi, der ihn begleitet habe. Auch der sei der Meinung gewesen, dass in der Scheune ein Wagen gestanden haben müsse. »Aber eine Pleite bleibt’s trotzdem«, fuhr er fort, »ich habe mir mal alle Halter von Geländewagen in dem Ort raussuchen lassen. Vier sind es, keiner der Wagen hat einen Rammschutzbügel und keiner der Besitzer will seinen Wagen in der Scheune abgestellt haben.«
Kral verwies noch einmal auf seinen Verdacht, der Wirt könne mit dem Nürnberger unter einer Decke stecken.
»Was ja dann wohl heißt, der Wagen könnte vielleicht sogar in Selb zum Einsatz gekommen sein«, führte Schuster die Anregung weiter. »Jan, also, pass auf! Ich spreche mit der zuständigen Staatsanwältin. Mal sehen, was sich da machen lässt. Ich glaub’ allerdings, dass wir auf diesen Verdacht hin auch keine Durchsuchungsbeschlüsse kriegen.«
Kral wurde barsch: »Dann seht mal zu, dass da etwas in Gang kommt, sonst geht das Spielchen bis zum Sankt Nimmerleinstag weiter: Ihr glaubt, die Lösung liegt in Tschechien und die drüben sehen das genau umgekehrt.«
11
Dienstag, 10. Februar 1998
Als Kral auf den Parkplatz der Kreisdirektion einbiegen wollte, erwartete ihn eine Überraschung: Ein- und ausfahrende Pkw mussten inzwischen eine Schranke passieren, wie sie in Parkhäusern üblich war. Doch die Schranke hob sich nicht, da half weder dichtes Heranfahren noch Hupen. Kral stieg aus und rief einem Polizisten zu, der gerade die Fahrbereitschaft verließ, er möge ihn doch bitte einlassen, aber der gab ihm mit deutlichen Handzeichen zu verstehen, dass das unmöglich sei. Jetzt kündigte ein lautes Rauschen die Einmischung eines Lautsprechers an, der neben der Schranke installiert war: »Nix parken fir Tourist!«, lautete die blechern klingende Durchsage. Die Rettung nahte in Form eines Streifenwagens, der auch in den Hof wollte. Die Schranke öffnete sich und Kral fuhr durch, aber die Sache war noch nicht ausgestanden. Erst musste er die Besatzung des Polizeiwagens überzeugen, dass er nun wirklich kein Tourist war. Einer der Beamten gab darauf ein klärendes Handzeichen in Richtung Hauptgebäude und Kral durfte sich einen Parkplatz suchen.
Kral blickte auf die Fensterfront der Direktion. Also dort sitzt irgendwo der Wächter der Schranke. Ein schönes Beispiel für Arbeitsbeschaffung! Sollte man in Deutschland auch machen – und schon haben wir ein schönes Stück Arbeitslosigkeit weniger!
Brückner war mit seiner Beförderung zum Major auch räumlich einen Stock nach oben gerutscht. Sein Büro lag jetzt auf der Ebene, die für die Polizeiführer vorgesehen war. Bei der Begrüßung wirkte er etwas verschämt. Das mochte auch an seinem Outfit liegen, trug er doch tatsächlich Anzug und Krawatte, eigentlich schwer vorstellbar bei einem Mann, der am liebsten wie ein Zuhälter daherkam.
»Gratuliere zu dem nächsten Sternchen!«, begann Kral, »verdient hast du das schon lange. Aber du wirst doch jetzt nicht immer im Anzug rumlaufen!«
»Das kannst du laut sagen!«, antwortete der Major und ließ sich in seinen Bürosessel plumpsen, »du glaubst gar nicht, wie beschissen ich mich in dieser Tracht fühle.« Zur Bestätigung lockerte er die Krawatte und öffnete den obersten Hemdknopf. »Aber es gibt hier oben«, er meinte die Führungsetage, »so eine Art Kleiderordnung und bei bestimmten Anlässen, so wie beispielsweise heute bei Gericht, musst du eben so auftreten.«
Kral wechselte das Thema und sprach die Hürde an, die seine Einfahrt auf den Parkplatz verzögert hatte.
Brückner lachte: »Kann ich mir vorstellen, dass sie dich da nicht rein lassen wollten. Das Ding ist ja auch deshalb da, damit sich keine Touristen
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