Wildes Erwachen
kam von draußen: »Aus, Arco, aus!«, lautete der Befehl, der auch augenblicklich befolgt wurde. Jetzt stand der Wirt in der Toröffnung und blickte hämisch grinsend auf Kral, richtete sich dann aber an den Hund: »Arco, sitz!« Der hatte sein Opfer immer noch zähnefletschend und knurrend fixiert, ließ sich aber sofort auf dem Boden nieder.
»Soo, hamm’er dich derwischt!«, begann der Mann, »erscht die Leit aushorng, dann rumspioniern, des hamm’er gern.« In seinem bösen Blick schwang auch der Stolz auf eine perfekt abgerichtete Kampfmaschine mit.
»Wenn ich Ihnen eine klare Frage stelle und dann aus reiner Neugier einen Blick in Ihre Scheune werfe, ist das noch lange kein Grund dafür, Ihren Hund auf mich zu hetzen«, rechtfertigte sich Kral, um dann sein Bein zu begutachten. Der Mann sollte schließlich sehen, was sein Hund angerichtet hatte. Dessen Zähne hatten zwar teilweise die Hose durchdrungen, aber anscheinend keine besonders tiefe Wunde verursacht. Der Abdruck des Bisses war deutlich zu erkennnen, aber es trat kaum Blut aus. Der Schmerz, jetzt eher ein Ziehen, war auszuhalten.
Der Wirt lachte abfällig: »Doo schaust, wos? Wenn ich aa Word g’sogt hätt’, dann hätt’ diich der Hund suu zammgebissen, dass’d ganz annerscht ausg’schaut häddst. Und etzd sooch ich dir nuch wos«, er fixierte Kral mit zusammengekniffenen Augen, »du verschwindst etzd, sunst zeich ich diich o wecher Hausfriedensbruch und Bedruuch. Eschtens gibt’s kann Franken-Bau und zweidens gibt’s bo uns kann Baugrund, nett amol in die nächsten zeah Johr. Schau, dass di schwingst!«
Der Hund schien den Befehl verstanden zu haben, denn er erhob sich, laut bellend, um der Forderung seines Herrchens Nachdruck zu verleihen.
Was blieb Kral anderes übrig, als sich vom Acker zu machen? Aber er wollte doch noch so etwas wie Zivilcourage demonstrieren. Mehr als eine vage Drohung war allerdings nicht drin: »Sie hören von …«, eigentlich sollte jetzt »von mir« kommen, aber er steigerte sich dann doch: »… der Polizei.«
Der Mann zog sich höhnisch lachend, seinen Hund im Schlepptau, in Richtung Gastwirtschaft zurück. Kral stieg in sein Auto und nahm sich zunächst einmal eine Pfeife vor. »Musst du unbedingt im Auto rauchen?«, würde ihn jetzt seine Frau vorwurfsvoll fragen. Jawohl, er musste, denn nur über die Beschäftigung mit der Pfeife konnte er schnell zu Ruhe und Gelassenheit zurückfinden.
Auf der Fahrt nach Selb hatte er genügend Zeit, über die neuerliche Pleite nachzudenken: Nürnberger musste dem Wirt von seinem Auftritt als Grundstücksmakler erzählt haben. Der hatte wahrscheinlich gründlich recherchiert und schon war der angebliche Makler aufgeflogen. Die Frage war jetzt, ob es zwischen Nürnberger und dem Wirt eine engere Verbindung gab und ob dessen Geländewagen vielleicht sogar bei dem Selber Mordfall zum Einsatz gekommen war. Nun, er würde Schuster Bericht erstatten und der musste entscheiden, was zu tun war.
Das Ziehen im Bein nahm zu. Alarmierend war besonders das Pochen im Bereich der Wunde: Hier drohte eine Entzündung!
Als Eva das verletzte Bein zu Gesicht bekam, reagierte sie mit sorgenvollem Kopfschütteln: »Das sieht ja böse aus!« Dann entschlossen: »Sofort ins Krankenhaus!«
Nach gut einer Stunde war die Wunde versorgt. Nachdem ihm noch eine Tetanusspritze ins Hinterteil gerammt worden war, wurde er entlassen.
Zu Hause angekommen, war er sich allerdings nicht ganz sicher, ober er den Kommissar überhaupt noch anrufen sollte, denn der wollte vielleicht ein wohlverdientes dienstfreies Wochenende genießen. Aber die Sache ließ ihm keine Ruhe und er griff zum Telefon.
Seine Entschuldigung für die Störung wischte Schuster sofort beiseite: »Überhaupt nicht der Rede wert! Gut, dass du mich angerufen hast, wenn’s dir nichts ausmacht, komme ich gleich mal rüber nach Selb.«
Das folgende Gespräch kam Kral eher vor wie eine Zeugenvernehmung: Schuster fragte, fragte nach, bat immer wieder um eine genauere Erinnerung. Kral stellte fest, dass er kein besonders zuverlässiger Zeuge war: Weder konnte er eine Aussage über die Automarke machen, noch wollte er sich eindeutig auf eine bestimmte Farbe festlegen: »Vielleicht dunkelblau oder schwarz, ganz sicher aber irgendwie dunkel.«
Schuster war nicht zu beneiden. Er musste entscheiden, wie es weiter ging. Nach kurzem Überlegen schüttelte er schließlich zweifelnd den Kopf: »Ganz gleich, wie wir das sehen, weder für
Weitere Kostenlose Bücher