Wildes Erwachen
enttäuscht war er dann doch, dass der Kommissar es bei einem ziemlich kurzen Blick beließ und sich die beiden Besucher so gar nicht für die erlesene Waffensammlung interessierten.
Schuster machte Anstalten, sich zu verabschieden, hielt dann aber inne: »Letzte Frage«, richtete er sich an den Hausherren, »gibt es im Hause Nürnberger eine Jagdwaffe?«
Wieder gut gespielt: Das Aufblähen der Backen mit anschließendem Ausblasen der Luft sollte wohl die Problematik der Antwort vorbereiten. Tatsächlich: »Schwierige Frage! Der Hans-Jürgen ist begeistert von der Jagd und er wollte auch Jäger werden, aber er ist schon zweimal durch die Prüfung gerauscht. Schon vorstellbar, dass solche Leute sich schon mal prophylaktisch eine Waffe anschaffen. Aber ob das bei ihm der Fall war, keine Ahnung! Also ich weiß nichts von einem Gewehr in dem Haus.«
Man war bereits auf dem Weg zur Haustür, als Schuster kurz zögerte: »Fast hätt’ ich’s vergessen! Es kann sein, dass wir noch einmal auf Sie zukommen, wenn wir Frau Smirnov und Herrn Nürnberger verhört haben.«
Kral musste sich das Grinsen verkneifen: Ein Tiefschlag, fast schon nach dem Gong! Mein lieber Schuster, du wirst dem Brückner immer ähnlicher!
»Und?«, fragte Schuster, als sie wieder im Wagen saßen.
»Gehe ich recht in der Annahme, dass du von mir wissen willst, welchen Eindruck Eberlein auf mich gemacht hat?«, fragte Kral. Sein Begleiter nickte. »Mittelmäßige schauspielerische Begabung! In Selb war er wohl nicht. Aber ich denke, dass er wusste, dass Alena nach dem Tod des einen Nürnbergers noch im Haus war. Und die Sache mit dem Auto: Für mich nicht koscher! Übrigens, schöner Schlusspunkt, den du da gesetzt hast.«
Schuster lachte: »Daran hat er zu knabbern, da bin ich mir sicher. Ansonsten sehe ich die Sache genau wie du. Und noch was: Die Tatwaffe hat er nicht in seiner Sammlung.«
Kral sah jetzt eine Möglichkeit, den Kommissar auf seine geplante verdeckte Ermittlung in Bayreuth anzusprechen.
Die Reaktion hatte er schon fast erwartet: »Hab’ ich total vergessen. Passt mir im Moment überhaupt nicht in den Kram, in den nächsten Tagen kommt einiges an Arbeit auf mich zu.«
Gut, dass er in der Dunkelheit nicht Krals Grinsen mitbekam: Hat der Brückner doch Recht gehabt mit der Annahme, dass ihn die delikate Mission überfordert!
Das heißt dann wohl, dass ich ran muss, dachte Kral, aber vielleicht lässt sich da ja was übers Internet machen.
13
So einfach hatte er sich den Kontakt mit dem Institut »Fortuna« nicht vorgestellt: Persönliches Erscheinen überflüssig! Kein Vertrag! Keine Vorschusszahlungen! Zur Kasse sollte er erst gebeten werden, wenn das erste Treffen mit einer Dame anstand. Und das sollte, wie von Brückner richtig beschrieben, in Eger stattfinden. Ein bisschen zur närrischen Zeit passend, war Kral in die Rolle eines Sachbearbeiters bei einem namhaften Selber Unternehmen geschlüpft.
Ihren Slogan »Unbürokratisch – schnell – günstig« setzten die Heiratsvermittler, was die ersten beiden Punkte anging, präziser um, als Kral lieb war: Bereits in zehn, spätestens aber in vierzehn Tagen könne er seiner Traumfrau in Eger gegenübertreten. Aber er durfte sich auf keinen Fall als Freier in Eger blicken lassen, denn er musste damit rechnen, auf Frau Straková zu stoßen. Betrug und Menschenhandel konnten aber nur nachgewiesen werden, wenn seine »Zukünftige« als in Tschechien wirkende Zwangsprostituierte identifiziert werden konnte. Höchste Zeit für ein Treffen mit Schuster und Brückner in Eger!
Direktion der Staatspolizei Eger,
Dienstag, 17. Februar 1998
Anwesend waren Major Brückner, Oberleutnant Kučerová, Erster Kriminalhauptkommissar Schuster, dessen Kollege, Kriminaloberkommissar Ploß, und Kral. Schuster berichtete zunächst vom Fall Nürnberger: Hans-Jürgen Nürnberger befinde sich zurzeit im Bezirkskrankenhaus Bayreuth. In die Spezialklinik für Psychiatrie sei er eingeliefert worden, nachdem er einen Selbstmordversuch unternommen habe. Mit den Vernehmungen könne aus ärztlicher Sicht erst in einer Woche begonnen werden. Frau Smirnov sei wieder bei Bewusstsein. Man habe schwere innere Verletzungen, hervorgerufen durch äußere Gewaltanwendung, und ein schweres psychisches Trauma diagnostiziert. An eine Befragung sei im Moment noch nicht zu denken. Außerdem sei der Geländewagen, den man auf dem Hof der Nürnbergers entdeckt habe, zweifellos das Fahrzeug, das am
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