Wildes Herz
Langsam wurde ihm bewusst, dass er tief in ihre regenhellen Augen starrte, während er mit den Fingerspitzen immer wieder über ihre weiche Wange strich.
„Du gehst nie wieder dorthin, Janna. Dieser verdammte, dreckige Saloonwirt ...“ Seine Stimme erstarb. Ihm fiel keine zartfühlende Beschreibung ein, mit der er ausdrücken konnte, was er in Neds Augen gesehen hatte, als dieser über Frauen sprach.
„Ned?“ Janna zuckte mit den Achseln. „Ich mache einen großen Bogen um ihn. In der Stadt halte ich mich nie länger als ein paar Minuten auf. Falls mich doch jemand sieht, sorgt der Prediger dafür, dass ich meine Ruhe habe.“
„Der Prediger hat seine Zelte abgebrochen und im Fort Schutz gesucht, so wie alle anderen ... bis auf Ned. Abtrünnige aus dem ganzen Utah-Territorium sind zum Black Plateau unterwegs, um sich Cascabels Bande anzuschließen.“
Sie runzelte die Stirn. „Warum sollte Ned in der Stadt bleiben? In seiner schmutzigen Baracke gibt es nichts Wertvolles, das er mit seinem Leben verteidigen müsste.“
„Bevor Cascabel mich gefangen nahm, war ich einige Zeit in Hat Rock. Die Leute dort haben den Verdacht, dass Ned an die Indianer Gewehre verkauft. Wenn das stimmt, braucht er sich keine übermäßigen Sorgen zu machen, dass ein Abtrünniger ihm den Skalp abrasiert.“
„Schade“, sagte sie. „Er könnte einen Haarschnitt brauchen.“
Ty lächelte. Jannas Herz machte einen kleinen Hüpfer. Sie blickte rasch zur Seite.
„Dann kehren wir wohl besser zum Plateau zurück“, meinte sie, nachdem sie sich geräuspert hatte. „Das wird „Wir reiten zum Fort“, bestimmte Ty.
„Was?“
„Für eine Frau ist es hier draußen zu gefährlich. Auf dem Weg nach Sweetwater habe ich die Spuren von drei verschiedenen Indianergruppen gekreuzt. Nie mehr als zwei oder drei Krieger. Keine Frauen und Kinder.“
„Ute?“
Ty zuckte mit den Achseln. „Möglich. Aber dann sind es Abtrünnige. Black Hawk versucht seine jungen Krieger an der kurzen Leine zu halten.“
„In welche Richtung führten die Spuren?“
„Sweetwater. Ich wette, sie haben Ned Gewehre abgekauft und sich dann auf den Weg zu Cascabels neuem Lager gemacht.“
Janna richtete den Blick zum Himmel über dem Black Plateau. Die Gewitterwolken waren eine feste blauschwarze Masse, von der dunkle Regenvorhänge fielen. Als sie allein zurückgeblieben war, während Ty in die Stadt ging, waren die Fire Mountains von dicken Wolken verhüllt gewesen. Das bedeutete, auf dem Black Plateau war stundenlang Regen gefallen. Die Bäche in den engen Seitentälern würden sich bald mit ablaufendem Wasser gefüllt haben.
„Vergiss es“, sagte Ty, der Jannas Blick folgte. „Der Durchgang zu deinem Tal läuft wahrscheinlich längst voll. Zebra würde bis zu den Knien im Wasser stehen, vielleicht bis zur Brust, selbst wenn sie den ganzen Weg im Galopp zurücklegte. Aber das würde auch keine Rolle mehr spielen.“
„Keine Rolle mehr spielen?“ fragte Janna überrascht.
„Zum Teufel, nein. Wir wären längst vorher tot. Erschossen von Abtrünnigen und liegen gelassen als Futter für die Ameisen.“
„Aber...“
„Verdammt, begreifst du nicht? Cascabel muss die Parole ausgegeben haben, dass er sich für einen letzten Vorstoß bereitmacht. Alle abtrünnigen Indianer westlich des Mississippi brechen aus ihren Reservaten aus. Sie stehlen Pferde und reiten geradewegs zum Black
Plateau. Der einzig sichere Ort für dich ist das Fort.“
„Für mich?“ fragte sie.
Er nickte ernst.
„Was ist mit Ihnen?“
„Ich mache mich auf die Suche nach Lucifer.“
„Und wieso glauben Sie, dass Cascabel Sie nicht schnappt?“ „Wenn er mich kriegt, ist das mein Problem.“
„In Ordnung. Dann sind wir uns einig.“
„In Ordnung?“ erkundigte sich Ty erstaunt.
„Ja. Und jetzt brechen wir besser auf. Ich weiß einen guten Lagerplatz am nordöstlichen Abhang der Hochfläche.“
„Das Fort befindet sich in westlicher Richtung vom Plateau. Bedeutet das nicht einen großen Umweg für uns?“
„Ich will nicht zum Fort.“
„Zum Teufel, und ob du das willst.“
„Das war nicht unsere Abmachung“, sagte sie eilig.
„Wie bitte?“
„Wir waren uns einig, dass es Ihr Problem ist, wenn Cascabel Sie
kriegt.“
„Ja.“
„Daraus folgt, es ist mein Problem, wenn Cascabel mich schnappt.“ Sein Mund öffnete und schloss sich wieder. Ty packte Janna und hob sie mit starken Händen vom Boden, bis ihre und seine Augen auf gleicher Höhe
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