Wildes Herz
nahmen die Verfolgung auf.
Sie hatte Zebra schon vorher im schnellen Galopp geritten, aber noch nie mit diesem wilden Tempo. Die Geschwindigkeit, mit der die Stute davonstob, hätte Janna Angst gemacht, würde sie nicht vor einer noch größeren Gefahr fliehen. Sie legte sich flach auf den geschmeidigen, vorwärts drängenden Pferdeleib, um Zebra möglichst wenig zu belasten und den Galopp der Stute weiter zu beschleunigen.
Jannas Hut wurde ihr vom Kopf gerissen. Bald hatten sich die Zöpfe gelöst. Das lange Haar wehte wie ein dunkler, windgepeitschter Flammenvorhang hinter ihr her.
In dem Moment, als die Indianer ihre leuchtenden Haare sahen, kühlte ihr Jagdfieber merklich ab. Ein elternloses Mädchen zu fangen war keine sportliche Leistung. Ruhm brachte der Fang noch weniger, und eine anständige Beute war dieses halbe Kind schon gar nicht. Zudem flüsterte man beunruhigende Dinge über die wahre Natur des Mädchens. Bruja. Hexe. Schattenflamme. Das war ihr Bild, wie sie über das Wildpferd gebeugt ohne Zaumzeug und Sattel davonstob; eingehüllt von der fliegenden Pferdemähne und ihrem eigenen langen Haar, das hinter ihr im Wind flatterte wie eine leuchtende Fahne.
Sicher konnte nur ein Geisterpferd, das von einer Geisterfrau geritten wurde, mit dieser Leichtfüßigkeit dahineilen.
Janna versuchte nicht, Zebra eine Richtung vorzuschreiben. Die Stute kannte jeden Winkel auf der Hochfläche so gut wie sie. Im Augenblick zählte für Janna nur, dass sie sich so weit wie möglich
vom ostwärts führenden Pfad entfernten, weg von Ty und dem verletzten Hengst. Sie machte keinen Versuch, den Revolver zu benutzen, der bei ihrem wilden Ritt gegen ihren Körper drückte. Vom galoppierenden Pferd aus die Waffe zu ziehen wäre schwierig genug; das Ziel zu treffen wäre ein Ding der Unmöglichkeit.
Mit jeder Minute, die verging, wurde deutlicher, dass Zebra den Abtrünnigen davonrannte. Gut genährt, ausgeruht und mit der leichtgewichtigen Janna auf dem Rücken, war Zebra nicht nur schneller als die Pferde der Abtrünnigen, die wilde Stute besaß auch mehr Durchhaltevermögen. Nach wenigen Kilometern erkannten die Indianer, dass sie ihre Reittiere sinnlos erschöpften. Zwei Krieger gaben auf, dann ein dritter und ein vierter, bis nur noch ein Indianer dem leuchtenden Banner von Jannas Haaren nachhetzte. Schließlich fiel auch er zurück und schlug nicht mehr auf sein schwer keuchendes Pferd ein.
Zebra wusste früher als Janna, dass die Jagd vorbei war. Trotzdem galoppierte die Stute noch eine Weile weiter. Sie wollte einen größeren Abstand zwischen sich und die Verfolger bringen. Janna spürte die veränderte Gangart des Pferdes und wusste, die unmittelbare Gefahr war vorüber. Vorsichtig verlagerte sie den Griff ihrer Hand in Zebras Mähne und blickte über die Schulter. Hinter ihr war nichts, nur Zebras Hufspuren, die über das leere Land führten.
Als die Stute auf eine Anhöhe zusteuerte, drängte Janna das Pferd unter den Schutz einiger Bäume und spähte durch ihr Fernglas auf den zurückgelegten Weg. Die Abtrünnigen waren nirgends zu sehen. Auch das vor ihr liegende Land schien menschenleer zu sein.
Für einige Minuten überlegte sie, wie sie Zebras Spuren unkenntlich machen konnte, um mögliche Verfolger in die Irre zu führen. Alles, war ihr einfiel, einschließlich der Entscheidung, die Stute wieder frei laufen zu lassen, würde bedeuten, dass sie den Ostrand der Hochfläche niemals vor Einbruch der Dunkelheit erreichte. Sie musste Zebra bei sich behalten und darauf vertrauen, dass das Tier schnell genug war, um sie auch vor weiteren Verfolgern in Sicherheit zu bringen.
„Gut, mein Mädchen. Dann kehren wir um und sehen nach, ob mit Ty und Lucifer alles in Ordnung ist.“
Eine Berührung durch ihre Reiterin genügte. Zebra machte kehrt, fiel wieder in einen leichten Galopp und verließ die alte Spur im spitzen Winkel. Janna suchte aufmerksam die Gegend ab. Sie konnte keine Anzeichen entdecken, dass in letzter Zeit Menschen vorbeige-kommen waren. Wilde Pferde standen ruhig in der Landschaft und grasten. Sie schreckten auf und rannten weg, wenn Zebra erschien. Es waren drei Gruppen, denen sie unterwegs begegneten. Janna lenkte Zebra jedes Mal in die Fluchtrichtung der Pferde. Auf diese Weise vermischten sich die Hufabdrücke der Stute mit denen der anderen Mustangs. Niemand hätte mehr sagen können, wohin der Weg von Janna führte.
Sie erspähte Ty und Lucifer, als der Nachmittag weit
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