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Wildes Herz

Titel: Wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lowell
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vorangeschritten war und sie sich nur zwei Kilometer vom östlichen Abstieg entfernt befand. Wolken, die früher am Tag noch zart und weiß über den Himmel gesegelt waren, hatten sich zu brodelnden blauschwarzen Ungetümen mit glänzenden Kuppeln aufgetürmt. Die Fire Mountains lagen bereits unter einer dichten Wolkenhülle. Von den unsichtbaren fernen Gipfeln war Donnergrollen zu hören. Bald würde sich die Hochfläche in eine Hölle verwandeln, mit ohrenbetäubendem Gewitterlärm und peitschendem, eisigem Regen.
    An der nackten Ostwand von einem Gewitter überrascht zu werden war nicht weniger gefährlich. Wenn sie heute noch den Pfad nach unten schaffen wollten, mussten sie sich beeilen.
    Zebra schien die Unruhe ihrer Reiterin zu spüren und galoppierte geradewegs auf die zerklüfteten Randfelsen zu. Hier hatten Wind und Regen ein Labyrinth aus Abgründen, Spalten und Talengen geschaffen. Am Kopfende einer kleinen Schlucht begann der einzige Pfad, der über die schroffe Ostflanke nach unten führte. Dort waren Ty und Lucifer angelangt.
    Ty wartete nicht ab, bis Janna vom Pferd gestiegen war. Zebra stand kaum, als er die junge Frau herunterriss und an sich presste. Beide Pferde wieherten leise und stießen zur Begrüßung freundlich die Nasen aneinander.
    „Was, zum Teufel, ist passiert?“ fragte er barsch, während er mit den Händen zärtlich über ihr offen herabhängendes Haar strich.
    „Ich habe Zebra gefunden. Wir waren schon auf dem Rückweg zu euch, kamen über einen Bergrücken und entdeckten eine Horde Abtrünniger.“ Janna spürte, wie Tys Umarmung plötzlich fester wurde.
    „Verdammt, hatte ich also Recht“, sagte er mit rauer Stimme. „Ich habe die Schüsse gehört. Da wusste ich Bescheid.“
    „Die Abtrünnigen waren genauso überrascht wie ich“, antwortete Janna und versuchte ihn zu beruhigen. „Sie haben nur ein paar Mal gefeuert. Dann war ich schon zu weit weg. Keine der Kugeln ist auch
    nur in meine Nähe gekommen.“
    „Wieso hast du dann deinen Hut verloren?“
    „Der Wind“, erklärte sie sofort. „Zebra galoppierte, als sei der Teufel hinter ihr her. “
    Er dachte an das zerklüftete Land und das wilde Pferd, auf dem Janna geritten war; ohne Steigbügel für sicheren Halt und ohne Zaumzeug, mit dem sie die Stute hätte lenken können. Wäre das Pferd gestolpert, hätte sie unweigerlich das Gleichgewicht verloren. Ein Sturz hätte schwere Verletzungen, vielleicht sogar ihren Tod bedeutet.
    „Verdammt, Janna ...!“
    Seine Stimme verklang. Er wusste, wie unvernünftig es war, auf Janna zornig zu sein, weil sie in Gefahr gewesen war. Sie konnte so wenig ihre Lage in diesem wilden Land ändern wie er selbst.
    „So geht das nicht weiter“, sagte er halblaut. „Ich muss dich an einen Ort bringen, wo du in Sicherheit bist.“
    Verhaltenes Donnergrollen über dem Hochplateau erinnerte ihn daran, dass die Gefahr viele Gesichter hatte. Eines dieser Gesichter zeigte sich vor ihnen. Zögernd sah er nach unten und begutachtete den atemberaubend steilen Pfad, über den er den verletzten Hengst bringen musste.
    Der Weg begann am Endpunkt einer engen Schlucht, die sich bald zu den Seiten verzweigte und in einer jäh abfallenden Zickzacklinie den verwitterten Ostrand der Hochfläche durchschnitt. Nach den ersten fünfhundert Metern war der Pfad nicht mehr ganz so steil, und nach zwei Kilometern mündete er in eine sanft abfallende Geröllhalde, die ungefähr sechshundert Meter unterhalb der Hochfläche begann. Ab hier war die Strecke nicht mehr ganz so schwierig.
    Die ersten fünfhundert Meter allerdings waren ein Albtraum; die folgenden einhundertundfünfzig kaum weniger. Über diesen Pfad auf das Plateau zu gelangen war mühselig genug gewesen. Den Weg bergab zu klettern bedeutete noch größere Gefahr. Ty wusste nicht, wie sie mit den Pferden den steilen Abstieg bewältigen sollten, ohne den Kampf gegen die Schwerkraft zu verlieren. Er sah sie bereits hilflos in die Tiefe stürzen.
    „Der erste Teil ist am schwersten“, sagte Janna.
    „Erwartest du, dass ich mich jetzt besser fühle?“
    „Wenigstens nicht schlechter.“
    Er lächelte flüchtig.
    „Halte Zebra zurück, bis Lucifer das schwerste Stück hinter sich hat“, sagte er. „Ich werde genug damit zu tun haben, nicht unter seine Hufe zu kommen. Nach der Stute kann ich mich nicht ständig umblicken.“ Er wandte sich dem Hengst zu und zog vorsichtig am Führstrick. „Komm, mein Sohn. Bringen wir die Sache hinter uns.

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