Wildes Lied der Liebe
ein wenig zugänglicher zu werden. Hoffentlich geschah dies nicht aus Mitleid. Es gab viele Dinge, die sich Trace von ihr wünschte - zum Beispiel das freundschaftliche Verhältnis, das sie früher einmal verbunden hatte -, doch Mitleid gehörte nicht dazu. »Denkst du manchmal an ihn? An deinen Vater?«
Trace schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. »Nein«, log er. Unzählige Male hatte er über seinen Vater nachgedacht und sogar Gideon gefragt, wer der Mann gewesen war. Gideon hatte ihm die Hand auf die Schulter gelegt und in zwei Sätzen Traces größte Hoffnung zerstört und ihm gleichzeitig die schlimmste Furcht genommen. »Ich b in es nicht« , hatte er erklärt. » Und es ist auch keiner meiner Söhne.«
»Ich hörte einmal, wie sich Daddy und Onkel Eli über ihn unterhielten. Über deinen Vater, meine ich. Sie meinten, er sei ein Nordstaatler gewesen.« Bridget zögerte, blickte Trace dann jedoch offen an. »Er ist bei einem Kampf in einer Bar umgekommen, als du noch klein warst.«
Trace schien sich der Magen zusammenzuziehen. »Das wusstest du? Warum hast du es mir nie erzählt?«
Sie breitete die Hände aus. »Wie konnte ich? Du hegtest all diese Träume, dass dein Vater eines Tages zurückkommen und deine Mutter heiraten würde ...«
Trace kehrte ihr den Rücken zu und wandte sich damit gleichzeitig von den Träumen eines einsamen kleinen Jungen ab. Kaum merklich zuckte er zusammen, als Bridget ihm leicht die Hand auf die Schulter legte.
»Glaubst du, wir könnten noch einmal von vorn beginnen?«, fragte sie leise. »O Trace, wir waren früher doch einmal gute Freunde.«
Gute Freunde? Er hätte sich das Herz herausgeschnitten und es ihr zu Füßen gelegt, wenn sie es von ihm verlangt hätte. Geradezu ironisch, dass die sechzehnjährige Skye in ihrer Unschuld in die Tiefen seiner Seele geblickt hatte, sodass auch er nicht umhinkonnte hineinzusehen. Wenn er Miss Skye McQuarry nicht wie eine Schwester geliebt hätte, wäre er ihr sehr böse gewesen.
»Trace?«
Er zwang sich dazu, sie anzusehen und ihr die Hand hinzustrecken. »Freunde«, sagte er und dachte an den Ehering, der in seiner Hosentasche steckte - und vermutlich auch dort bleiben würde.
3
Der Waffenstillstand hielt bis zum Mittag an, als Trace verkündete, in die Stadt reiten und Noah mitnehmen zu wollen. Falls Bridget nichts dagegen habe, würde er sich die Stute ausleihen.
Was Sis anging, erhob sie keine Einwände, ihren Sohn jedoch außerhalb ihrer Sichtweite zu wissen, war eine ganz andere Angelegenheit. Bridget saß Trace kerzengerade auf einer umgedrehten Holzkiste am Tisch gegenüber und wirkte so würdevoll, als säße sie am Kopf des Mahagonitisches im eleganten Esszimmer ihrer Großmutter. »Mein Sohn bleibt hier«, entschied sie, und ihre blauen Augen funkelten herausfordernd. »Primrose Creek ist kaum mehr als eine Zeltstadt, mit Saloons, betrunkenen Vagabunden und leichten Mädchen. Wahrhaftig kein geeigneter Ort für ein Kind.«
Skye stöhnte angesichts dieses strengen Urteils auf, und aus den Augenwinkeln sah Trace, dass Noah ein überaus enttäuschtes Gesicht machte. Unter anderen Umständen hätte Trace nur über Bridgets Äußerung gelacht, so aber erwiderte er ruhig: »Der Junge wurde im Krieg geboren und hat den beschwerlichen Weg nach Westen wohlbehalten überstanden. Abgesehen davon steht wohl kaum zu befürchten, dass er sich mit den leichten Mädchen abgeben wird. Wenigstens jetzt noch nicht.«
Zornig blickte Bridget ihn an. Offensichtlich gefiel es ihr nicht, in Noahs Beisein über einen Besuch in Primrose Creek zu sprechen, doch Trace hatte nicht die Absicht, ohne weiteres klein beizugeben. Noah gehörte nicht Bridget allein, er war auch Mitchs Sohn gewesen. Und dieser hätte nicht gewollt, dass Noah als schüchterner, verhätschelter Junge aufwuchs, insbesondere nicht an einem Ort, der jedem Menschen, Mann, Frau oder Kind, das Äußerste an Mut und Tatkraft abverlangte.
»Ich möchte kein weiteres Wort darüber verlieren müssen«, erklärte Bridget kühl.
Trace stand auf. »Ich reite jetzt in die Stadt und nehme Noah mit.« Selbstverständlich bluffte er nur, denn falls Bridget auf ihrem Standpunkt beharrte, würde er sich ihren Wünschen nicht widersetzen. Doch es handelte sich um eine wichtige Angelegenheit, und er konnte es an Sturheit jederzeit mit Bridget aufnehmen. »Vermutlich sind wir zurück, ehe du mich verhaften lassen könntest.« Mit diesen Worten trug er Teller
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