Wildes Lied der Liebe
dass er es bitterernst meinte.
Starr vor Entsetzen beobachtete Bridget, wie ihre neue Scheune in Flammen aufging. Noah!, schrie sie innerlich. Skye!
Überall waren Schüsse zu hören, und aus den Augenwinkeln sah Bridget, dass auch die Hütte lichterloh brannte. Trace, flehte sie stumm. Trace.
Furcht stieg unbarmherzig in Bridget auf und ließ ihr den kalten Schweiß auf die Stirn treten. Die Flammen warfen einen rötlichen Schein auf die Indianer und die Pferde, und die Nacht war erfüllt von Schreien und Schüssen. Und von Feuer.
Bridget blinzelte, ihre Augen brannten von dem Rauch, der von der brennenden Hütte und Scheune, ihren Hoffnungen und Träumen, aufstieg. Vergeblich hielt sie nach ihrem Sohn, ihrer Schwester und ihrem Ehemann Ausschau. Wo mochte Trace nur sein? Hatten ihn die räuberischen Wilden bereits getötet? Es waren keine Paiute-Krieger, sondern Ausgestoßene verschiedener Stämme.
Der Mann, der sie gefangen hatte, rief seinen Kumpanen etwas zu. Dann drückte er seinem Pony fest die Fersen in die Flanken, und sie galoppierten in die Nacht und in eine ungewisse Zukunft.
Bridget kümmerte sich nicht um ihr eigenes Schicksal, sondern fürchtete sich allein davor, ihre Familie vielleicht nie wiederzusehen. Lieber Gott, flehte sie stumm, lass sie noch am Leben sein. Ich könnte es nicht ertragen, sie zu verlieren.
Es schien Bridget, als wollte der schnelle Ritt überhaupt kein Ende nehmen. Über Hügel und durch Täler führte sie der Weg und durch dunkle, unheimliche Wälder, in denen unpassenderweise ein Duft von Weihnachtsbäumen in der Luft hing. Gegen Morgen erreichten sie endlich eine Art Lager. Dichte Rauchschwaden stiegen in den Himmel auf, und es roch nach Pferden, Menschen und ungegerbten Tierhäuten.
Unsanft wurde Bridget zu Boden geworfen. Sogleich sprang sie auf, lief zwischen den Pferden umher und suchte nach ihrer Schwester und ihrem Sohn. Die Banditen lachten höhnisch über ihre Bemühungen, und einer von ihnen streckte den Fuß aus und trat kräftig gegen Bridgets Schulter. Sie fiel zu Boden.
Wie eine Furie stürzte sie sich auf den Übeltäter, kaum dass sie wieder auf den Beinen war. Von Zeit zu Zeit hatte auch Bridget sich gefragt, ob sie wohl fähig wäre, einen Menschen zu töten. Nun kannte sie die Antwort.
Sie zog sich am Bein des Angreifers hoch und versuchte, ihm das Gesicht zu zerkratzen.
Er fluchte - Bridget brauchte die Sprache nicht zu kennen, um das herauszuhören - und trat wieder nach ihr, noch brutaler als beim ersten Mal. Sie stürzte erneut, spürte, dass ein Stein oder ein Pferdehuf sie an der Schläfe traf, und verlor das Bewusstsein.
»Mrs. Qualtrough?« Im Flüsterton drang eine weibliche Stimme an Bridgets Ohr. Es dauerte einen Augenblick, bis Bridget begriff, dass sie die Worte verstehen konnte. »Mrs. Qualtrough, geht es Ihnen gut?«
Langsam schlug Bridget die Augen auf. Ihre Kopfschmerzen schienen nun durch ihren ganzen Körper zu pulsieren, im Takt ihres rasenden Herzschlags. Sie saß auf dem Boden. Die Handgelenke und Knöchel waren ihr mit Lederstreifen schmerzhaft fest zusammengebunden, und in ihrem Rücken spürte sie raue Baumrinde. Sie verspürte den Drang, sich zu übergeben, hielt sich jedoch mühsam zurück.
»Mrs. Qualtrough?«
Bridget blickte ihre Mitgefangene an - Miss Florence Coffin, eine der Damen aus Primrose Creek, die am liebsten unter ihresgleichen blieben. Bridget hatte sie als überaus abweisend in Erinnerung, doch das spielte in dieser Situation wohl kaum eine Rolle.
Florence wirkte ziemlich mitgenommen. Ihre Haare waren zerzaust, das Kleid war zerrissen, dennoch hatte sie trotzig das Kinn vorgeschoben, und in ihren Augen blitzte die Entschlossenheit zu überleben, koste es, was es wolle.
»Miss Coffin«, antwortete Bridget schließlich und sah sich um. »Gibt es noch weitere Gefangene?«
»Ich glaube nicht«, erwiderte die andere Frau. »Und unter diesen Umständen wäre es wohl angebracht, wenn Sie mich Flossie nennen.«
Gegen ihren Willen musste Bridget lächeln, da sie nie auf den Gedanken verfallen wäre, diese sonst so sauertöpfische Dame könnte den Spitznamen »Flossie« tragen. Andererseits hatten die beiden Frauen bislang auch noch niemals miteinander gesprochen, sondern einander nur aus der Ferne gesehen. »Ich heiße Bridget.«
»Ich weiß«, meinte Flossie seufzend. »Was werden sie wohl mit uns machen?«
Die Möglichkeiten waren zu schrecklich, um sie sich auszumalen, doch Bridget tat es trotzdem.
Weitere Kostenlose Bücher