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Wildhexe 1 - Die Feuerprobe

Wildhexe 1 - Die Feuerprobe

Titel: Wildhexe 1 - Die Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
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kleine Wiese mit dem Bach, bis wir am Gatter standen.
    »Bis hierher«, sagte sie und zeigte auf drei weiße Steine, die so weit in den Boden eingegraben waren, dass man sie gerade noch sehen konnte. »Du darfst auf keinen Fall weiter gehen als bis hierher, es sei denn, ich bin dabei.«
    »Warum?«, fragte ich.
    »Weil ich dich nicht mehr schützen kann, wenn du meinen Wildhag verlässt.«
    »Was ist ein –«
    »– Wildhag? So nennt man das Gebiet, in dem eine Wildhexe andere schützen kann.«
    Zum zweiten Mal hatte sie dieses Wort gesagt. Wildhexe. Ich stand in der Dämmerung und schaute meine Tante an. Tu-Tu war angeflogen gekommen, sobald wir auf den Hof herausgetreten waren, und hatte sich auf ihre Schulter gesetzt. Sie trug einen ganz gewöhnlichen Regenmantel und einen alten gelben Regenhut, ihre braunen Indianerzöpfe hatte sie in den Kragen gesteckt, sodass man sie nicht sehen konnte.
    »Du bist eine Hexe«, sagte ich. Und das war keine Frage.
    »Eine Wildhexe«, sagte sie, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. »Ich kümmere mich um alle Geschöpfe der Wilden Welt, und im Gegenzug kümmern sie sich ein bisschen um mich.« Tumpe wedelte, und Tu-Tu rieb seinen Schnabel an der Krempe ihres gelben Huts.
    »Aber du hast gesagt, Chimära wäre auch eine Wildhexe …«
    »Nein. Ich sagte, sie war eine Wildhexe. Sie hat ihr Hexenversprechen schon vor langer Zeit gebrochen, und jetzt nimmt sie sich, was sie will, ohne etwas zurückzugeben.«
    Ich sah sie wieder vor mir. Die gelben Augen, das scharf geschnittene Gesicht.
    Komm mit mir, Hexenkind .
    »Was … will sie von mir?«
    Isa schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Clara.«
    »Sie hat mich Hexenkind genannt«, sagte ich. »Aber Mama … Mama ist keine Hexe.«
    »Nein. Deine Mutter wünscht sich nichts mehr, als dass alles gewöhnlich und normal ist, dass man alles in die Hand nehmen und anfassen kann. Aber so ist die Welt nun mal nicht.«
    Isa sah mich an, legte den Kopf ein wenig schief und kniff die Augen zusammen. Ich konnte ihren Blick spüren . Es fühlte sich ein bisschen so an, als würde sie mir plötzlich mit einer Taschenlampe direkt in den Kopf leuchten. »Clara … wäre es sehr schlimm für dich, wenn ich dir erzählen würde, dass du auch eine Wildhexe bist – oder zumindest eine werden kannst, wenn du möchtest?«
    Tu-Tu schlug mit den Flügeln. Auf der Unterseite waren sie sehr hell, fast silbern, und ich starrte ihn und seine Silberflügel an, um meine Tante nicht ansehen zu müssen.
    »Ich weiß doch gar nicht, was das bedeutet«, sagte ich schließlich. »Wenn es bedeutet, dass ich in einer Höhle im Wald leben muss und keine Freunde mehr haben kann …«
    »Natürlich kannst du Freunde haben«, sagte Isa. »Nur werden manche von ihnen eben Federn oder ein Fell haben.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Also, es ist ja nicht so, dass ich keine Tiere mag …«
    »Aber du hättest auch gerne noch ein paar Freunde, die ihr Häufchen nicht einfach auf den Boden machen oder in regelmäßigen Abständen Mäuseknochen hochwürgen? Sei beruhigt, du wirst hier auch andere Menschen kennenlernen. Vielleicht schon morgen. Clara, du musst nicht so leben wie ich, oder so sein wie ich. Aber du wirst zumindest so viel lernen müssen, dass du auf dich selbst aufpassen kannst.«
    »Wie mache ich das?«
    »Darum kümmern wir uns morgen. Selbstverteidigung für Wildhexen, Lektion 1.«
    Sie lächelte, und ich versuchte, ihr Lächeln zu erwidern. Aber ich war mir eigentlich nicht so sicher, ob es wirklich etwas zu lachen gab.
    Als wir zurückkamen, hatte Mama die Dachkammer fertig aufgeräumt. Sie hatte die Öllampe dort oben angezündet und das Bett gerichtet, mit jeder Menge Decken und Kissen und einem alten schwarz-weiß karierten Bettüberwurf, der über und über mit kleinen roten Rosen bestickt war. Mit seinen schrägen Wänden, dem kleinen runden Fenster und einem rosa Flickenteppich auf dem Boden sah das Zimmer wirklich ziemlich gemütlich aus. Aber da war nur ein Bett.
    »Und wo schläfst du?«, fragte ich sie.
    Mama setzte sich auf das Bett und klopfte mit der Hand auf den Bettüberwurf.
    »Clara-Maus. Setz dich mal zu mir.«
    Das war ihre »Es-gibt-etwas-worüber-wir-sprechen-müssen-Stimme«, und ich spürte, wie der Kloß, den ich seit der Sache mit dem Laster im Magen hatte, noch ein bisschen größer wurde.
    »Was ist denn?«, fragte ich.
    »Ich muss zurück in die Stadt.«
    Jetzt füllte der Kloß meinen ganzen Magen aus. Drückte nach

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