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Wildnis

Wildnis

Titel: Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Zahrnt
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ihn vorsichtig auf die Seite. Eine Wange war geschwollen, der Mund blutverschmiert.
    Laura kniete sich zu ihnen. „Ist alles o.k.?“
    „Geht schon“, stieß Michael hervor.
    „Du warst tapfer.“ Laura gab ihm einen Kuss auf die schmutzige Stirn. Er betastete seine Wange und fuhr mit der Zunge seine Zähne ab.
    „Alle noch da?“
    „Nur eine Prellung, glaube ich. Die nächsten Tage werde ich wüst aussehen.“
    „Mir wirst du gefallen.“ Sie wickelte ihm die Tücher ab.
    Greg war herangetreten und bot ihm seine Hand. Michael schlug ein und ließ sich, zugleich von Jan gestützt, auf die Beine ziehen.
    Eine Wolke legte sich vor den Mond. Als würde ein Licht abgedimmt, lösten sich ihre Schatten am dunklen Boden auf. Der Wald schien näher zu rücken.
    Jenny reichte Greg und Michael die gefüllten Gläser. Greg hob den Arm. „Freunde?“
    „Freunde!“ Sie stießen an.
    „Ich stehe immer noch unter Spannung.“ Greg ließ seinen Blick an Laura auf- und abwandern. „Ich habe dich erobert, du gehörst mir.“
    „Und ich halte mein Wort.“
    „Widerstand wäre zwecklos.“
    „Wenn ich mir anschaue, wie du Michael zugerichtet hast, will ich das nicht riskieren.“
    Er nahm sie am Handgelenk und zog sie zum Haus.
    „Kann ich noch etwas für dich tun?“, fragte Jenny.
    „Danke“, antwortete Michael. „Ich berappele mich schon wieder. Du musst wohl bei uns im Zimmer schlafen. Ich bleibe noch ein bisschen an der frischen Luft. Jan, leistest du mir Gesellschaft?“
    Jenny verabschiedete sich mit einem mitleidigen Blick.
    „Wahrscheinlich hätte ich die Situation ausnutzen und mich von Jenny pflegen lassen sollen“, murmelte Michael. „Aber mir steht der Sinn mehr nach einem ruhigen Gespräch mit dir.“
    Jan fühlte sich geehrt. „Es ist so viel passiert, worüber wir reden sollten. Mir schwirrt der Kopf.“
    „Dabei hat dir Greg nicht einmal draufgehauen.“ Michael lachte, ohne den Mund zu verziehen.
    „Warum hast du dich auf den Kampf eingelassen? Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass du gewinnen könntest?“
    „Man weiß nie. Besonders nicht, wenn man angetrunken ist.“
    „So besoffen, dass du dir eine Chance gegen Greg ausgerechnet hast, warst du nicht.“
    „Was weiß ich?“ Michael spuckte und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. „Vielleicht aus Frust.“
    „Frust? Wieso denn?“
    „So eine peinliche Show, die ich da abgeliefert habe.“
    „Mensch, Michael! Wir dürfen auch mal über dich lachen, du bist sonst immer so überlegen und kriegst alles auf die Reihe.“
    „Was kriege ich auf die Reihe? Anna rennt mitten bei meiner Rede weg, um sich ein Glas Wasser zu holen. Und danach macht sie sich über mich lustig, weil ich kein Arzt bin und nicht weiß, wie man Spritzen richtig setzt.“
    „Ich habe auch nicht immer die ungeteilte Aufmerksamkeit und Bewunderung von allen“, sagte Jan und dachte, dass er sich Michaels Empfindlichkeit nicht leisten könnte.
    „Annas Aufmerksamkeit ziehst du zumindest auf dich. Stiehlst dich gleich am ersten Abend mit ihr davon und heute rennst du ihr hinterher, nachdem sie Laura beleidigt hat. Toll, wie du bei ihr punktest. Aber das wird dir nicht helfen. Hast du gesehen, wie sie nach Jennys Striptease abgezogen ist? Die wird sich auf nichts und niemanden einlassen!“
    „Deswegen hast du dich mit Greg geschlagen?“ Jan konnte es nicht recht glauben. „Aus Frust, weil du bei Anna nicht so vorankommst, wie du dir das ausgemalt hast?“
    Michael machte einige vorsichtige Schritte an Jans Seite. „Und aus Prinzip. Greg versucht, mich an den Rand zu drängen. Ich kann ihm nicht kampflos das Feld überlassen. Beim Ringen um Lauras Kuss habe ich ihn abgeschüttelt. Das hat mir Auftrieb gegeben. Ich habe mir vorgestellt, wie ich ihn beim Boxen umhauen würde ... Was soll‘s.“ Er blieb stehen, streckte sich und stöhnte. „Wäre nicht schlecht, wenn Greg und Laura nach dieser Nacht ein bisschen runterkommen. Zugegeben, ich habe mit dem Grenzenüberschreiten als Motto angefangen. Dass die beiden gleich so Gas geben würden ...“
    „Ja, die waren heftig drauf.“
    „Danke, dass du mir vorhin zur Seite gesprungen bist, bei dem Gerangel am Kamin. Im Notfall kann ich mich auf dich verlassen.“
    Sie wandten sich zurück zum Haus. Im Zimmer von Laura und Jenny flackerte Kerzenlicht. Zwei Hände drückten sich dunkel und unbeweglich gegen die Fensterscheibe, auf der übergroße Schatten zitterten.

3. Tag
    Licht. Hatte er verschlafen? Jan

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