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Wildnis

Wildnis

Titel: Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Zahrnt
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sein.“
    Michael grinste wieder schief. „Hast du immer noch nicht genug?“
    „Ich trete dir gleich in die Eier.“ Laura machte einen Schritt auf Greg zu. „Vielleicht bist du dann nicht sofort auf die Nächste scharf.“
    Sie streiften die Umgebung ab. Jan achtete darauf, sich nicht zu weit von der Gruppe zu entfernen. Er musste an den sonderbaren Mr. Wilken denken. Das war kein abgedrehter Spinner, sondern ein gepflegter, cholerischer Millionär. Mit seinem bizarren und unsympathischen Auftreten hatte er es ihnen leicht gemacht, ihn zu verulken und seine Warnungen zu verdrängen. Niemand sprach mehr von ihm. Sie hatten seinen verstörenden Besuch gemeinsam bewältigt, das Flugzeug war nicht erschienen, nun war er tabu.
    Auf dem Rückweg unterhielten sie sich angeregt. Wollten sie die Ruine vergessen, fragte sich Jan, oder vor ihrer Heimkehr die Gedanken an das verdrängen, was sich in ihrem Haus zugetragen haben mochte.
    Auf der heimatlichen Wiese leuchtete ihnen die Fassade in der Abendsonne entgegen. Anna las auf der Veranda – und würdigte die Ankömmlinge keines Blickes. Laura legte einen Finger auf den Mund und alle taten so, als würden sie an Anna vorbeipirschen. Jan hätte sie beinahe angesprochen, sah aber nicht ein, weswegen er es sich mit den Anderen verscherzen sollte, wenn sie so unkooperativ war.
    Drinnen begannen Laura und Greg so heftig über Annas Arroganz zu schimpfen, dass sie es auf der Veranda mitbekommen musste. Da sie selbst das ignorierte, riss Greg die Tür auf und fuhr sie an: „Was ist los mit dir? Hast du nichts zu sagen?“
    „Du willst, dass ich etwas sage? Ihr widert mich an.“
    Jan zuckte zusammen. Greg holte tief Luft. „Bist du wahnsinnig?“
    „Dann wäre das hier erträglicher. Was ihr gestern mit Jenny getan habt, stößt mich ab. Von mir aus könnt ihr euch mit Steinen den Kopf einschlagen, aber ein schwaches Mädchen so zu missbrauchen?“
    „Missbrauchen? Du hast sie ja nicht mehr alle!“
    „Missbrauchen, genau das! Ihr macht mega Druck, bis Jenny sich auszieht. Was kommt als Nächstes?“
    „Als Nächstes werfen wir dich nackt den Wölfen vor!“ Greg schlug die Türe zu.
    „Das war mal abgefahren“, sagte Michael beklommen.
    „Du wolltest sie mitnehmen“, fuhr Laura ihn an. „War doch klar, dass sie durchgeknallt ist. Wie sie uns in der Schule gemieden und verachtet hat. Jetzt kannst du dir das vier Wochen rund um die Uhr geben. Warum haben wir sie nicht Wilky-Boy mitgegeben? Der fand sie doch süß.“
    „Ich hatte gehofft, sie würde auftauen.“
    „So eisig, wie die ist, wird es hier nicht mal im Winter.“
    „Wir müssen mit ihr reden.“
    „Du hast doch gesehen, was dabei rauskommt“, giftete Laura. „Wir müssen etwas tun!“
    „Willst du ihr das Taschengeld kürzen?“ Michael schaute provozierend.
    „Am liebsten würde ich sie auf Wasser und Brot setzen. Tänzerinnen müssen doch schlank sein.“
    „Laura ...“ Jan suchte nach den richtigen Worten. Anna hätte sie nicht als Fettarsch bezeichnen dürfen.
    Greg rief: „Wir müssen ihr zeigen, dass es so nicht geht. Sonst wird die Zeit hier wirklich einmalig. Einmalig nervig.“
    „Wir müssen ihren Stolz brechen.“ Lauras Stimme klang gehässig.
    „So können wir uns nicht länger abfertigen lassen! Und dabei zahle ich für sie den Aufenthalt mit!“ Auch Greg redete sich immer mehr in Rage.
    Laura ging zu Michael, der sich auf die Ecke des Tisches gesetzt hatte. „Sie macht mit, wenn sie Lust hat, sie schaut sich von oben den Boxkampf an, und dann behandelt sie uns wie den letzten Dreck. Sie nimmt nur und gibt uns nichts.“
    „Was sollte sie uns denn geben?“ Michaels Frage klang harmlos. Doch warum bediente er Laura, statt ihr zu widersprechen?
    Sie massierte seine Schultern. „Denkt an gestern. Habt ihr euch schon einmal so von einer Stimmung davontragen lassen? Was Jenny getan hat, das war nicht nur für die Jungs, die ganze Nacht war von da an magisch. Wir alle tragen zur Gruppe bei, nur nicht Anna ... Sie muss sich fügen. Sie muss zeigen, dass sie der Gruppe vertraut. Wie beim Flaschendrehen muss sie sich in die Hände der Gruppe begeben. Dann entscheiden wir, was sie tun muss, um aufgenommen zu werden.“
    „Sie soll auch ...“ Jan brauchte nicht aufzuschauen, um zu wissen, dass Jenny bei ihren Worten errötete.
    Laura ließ ihre Finger über Michaels Brust gleiten. „Jenny war gestern sehr mutig. Genauso wie Greg und du. Und auch ich habe meinen Teil beigesteuert.

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