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Wildnis

Wildnis

Titel: Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Zahrnt
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halte.“
    „Du musst vortäuschen, du hättest all das nur getan, um dich an mich ranzumachen. Du hast keine Ahnung, was wirklich in der Speisekammer vorgefallen ist, aber du wusstest, dass du dich mit der Polizei nicht durchsetzen würdest. Also hast du dich aufgespielt, damit ich noch tiefer in deiner Schuld stehe. Aber heute Nacht habe ich mich dir verweigert. Du bist stocksauer und schimpfst, was für eine perfide, frigide Betrügerin ich bin.“
    Jan verabscheute diesen Plan – und fügte sich schließlich. Anna ging ins Bad. Er folgte ihr, hämmerte an die Tür, verlangte, dass sie aufmache. Schließlich stürmte er die Treppe hinunter.
    „Hola!“, rief Greg ihm vom Frühstückstisch entgegen. „Zwei Herzen, zwei Seelen?“
    Jan wusste nicht, was er antworten sollte.
    „Lass mich raten: Sie hat dich abserviert. Du hast brav ihre Lügen geglaubt und dann will sie dir nicht einmal das bisschen Spaß gönnen.“ Greg biss in sein Brot und nuschelte: „Die Welt ist ungerecht.“
    „Hast du ein Glück, dass du die Tür nicht eingeschlagen hast“, sagte Laura über die Schulter. „Sonst hätte Michael wieder auf Richter machen müssen. So brav, wie du bist, hättest du dich sicher von der Polizei einlochen lassen.“
    Jan fiel nichts Passendes ein, er setzte sich einfach neben Michael. Der goss ihm Kaffee in eine Tasse und sagte: „Mannomann, du überraschst mich.“
    „Hab ich doch gleich gesagt!“ Laura lachte. „Der brodelt vor Testosteron, seit wir in der Wildnis sind. Wie er sich gestern hinter Anna aufgebaut hat, das Gewehr schön sichtbar im Anschlag. Unser kleiner Sheriff ... und scharf wie ein Hengst. Kaum hat er die Unschuldige aus den Klauen des Bösewichts befreit, schon will er sie bespringen.“
    Die Feindseligkeit der Gruppe ging in Neckereien über. Jan brauchte kaum etwas beizutragen, um wieder aufgenommen zu werden. Wieso wirkten die Anderen so erleichtert? Er hatte ihnen bestimmt nicht gefehlt, ihre Heiterkeit musste einen anderen Grund haben. Und dann begriff er, dass sein Urteil auf ihnen gelastet hatte. Seine Rückkehr zur Gruppe – als fintenreicher Lüstling entblößt – war ihr Freispruch.
    Den Nachmittag verbrachten sie am See. Das Wasser fühlte sich nicht mehr eisig kalt an, sondern erfrischend kühl. Nicht ein Lufthauch ging durch das Schilf, nur die Insekten bewegten sich. Die Schwüle, die sich in den letzten beiden Tagen angestaut hatte, würde sich heute unweigerlich in einem Gewitter entladen.
    Laura ließ sich von Michael im flachen Wasser auf die Schultern heben und forderte Jan und Jenny zum Turnier heraus. Michael war größer und Laura kräftiger, doch Jenny erkämpfte zäh und flink ein 3:3-Unentschieden.
    Wieder im Trockenen ließ sie sich von Jan Sonnencreme auf den Rücken auftragen und gab ihm anschließend eine Massage. Ihre Finger drangen tief in seine Muskeln und er wunderte sich, woher sie die Kraft dazu nahm.
    Sie legte sich neben ihn und kuschelte sich an ihn. „Verzeihst du mir?“, hauchte sie ihm ins Ohr.
    Er rang mit seinen erregten Gefühlen. Jenny sprach gewiss davon, dass sie Greg den Vorzug gegeben hatte – nicht davon, dass sie gestern Nacht mit ihrem Schweigen den lächerlichen Freispruch für Greg gebilligt hatte. Wie konnten sie alle ausblenden, was sich ereignet hatte? Der Vorfall der letzten Nacht war nicht ein einziges Mal zur Sprache gekommen. Jan war diese Blindheit unheimlich. Wo war die Grenze, ab der die Gruppe nicht länger wegschauen könnte? Zugleich spürte er, wie gerne auch er sich auf das Spiel einlassen und den Tag einfach genießen würde.
    Jenny hatte es sogar geschafft, ihr eigenes Drama umzudeuten. Wie sah sie sich jetzt? Als die Siegerin von morgen, die kürzlich einen Preis gezahlt hatte, um im Leben voranzukommen? Mit ihm könnte sie sich beweisen, dass sie nicht nur Beute, sondern auch Jägerin war, nach ihm könnte sie ihre nächtliche Viertelstunde mit Greg in der Vergangenheit denken.
    „Ich will dich ...“, flüsterte sie. Jan schien, dass sie Mut sammelte, um ihm zu sagen, was sie mit ihm im Sinn hatte, da rief Laura: „Was will die denn hier?“
    Alle sprangen auf und beobachteten gebannt, wie Anna die Wiese herab auf sie zugeflogen kam. Die Gruppe hatte ihr keine Rückendeckung gegen Gregs Aggression gegeben – dennoch suchte sie nun Zuflucht. Etwas Schreckliches musste geschehen sein!
    Anna rannte fast in die Gruppe hinein, rang hustend um Atem und ignorierte das Durcheinander der Fragen. „Kommt

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