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Wildnis

Wildnis

Titel: Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Zahrnt
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das Dach und die Bank standen. Mit den Brettern vernagelten sie von außen die Fenster des Erdgeschosses.
    Die Wolken schluckten die Sonne. In der Ferne grummelte es. Ein schattenloses Halbdunkel breitete sich auf der Wiese aus. Die elektrisierte Luft schien das fahle Licht in sich zu tragen. Jenny versorgte die Schwitzenden mit Getränken. Laura setzte sich mit ihrem Glas zu Boden und schaute nur noch zu.
    Ein Donnerschlag. Er schien aus dem Bärental herüberzurollen. Sie hielten inne und lauschten. Etwas stach Jan ins Bein. Er erschlug den Moskito. „Drecksdinger“, sagte Michael neben ihm.
    Der Abend verlief gedrückt. Sie blieben im ersten Stock und holten sich sogar das Essen hinauf. Jan übernahm den ersten Wachdienst, während die Anderen lasen oder an die Decke starrten. Michael teilte die Uhren und Handys aus. Sofort setzte Laura sich die Kopfhörer auf.
    Nach einer Stunde löste Jenny Jan ab. Greg nahm ihn mit sich in den abgedunkelten Salon, fläzte sich auf einen Sessel und legte die Füße auf einen anderen. „Wie läuft es bei dir und Anna?“
    Jan setzte sich auf die Couch. Auch nachdem er von Gregs Schuhen abgerückt war, fühlte er sich herabgesetzt. Als würde Greg ihm zeigen, wie schnell er sich unter seinen Sohlen wiederfinden könnte.
    „Stell dich nicht an, ein Gespräch unter Männern“, grummelte Greg.
    „Sie gefällt mir. Ich würde sie ... Es geht nicht so schnell.“
    „Anna ist ein scharfes Biest. Die hat schon einige abgeworfen und wir wollen sie beide einreiten.“ Greg grinste. „Keine Ahnung, ob sie sich überhaupt für Männer interessiert. Wenn, dann für dich und bestimmt nicht für mich. Siehst du, so ehrlich bin ich.“
    „Unter Männern müssen wir ehrlich sein“, sagte Jan und fürchtete, dass Greg ihm dafür einen Tritt verpassen würde, so hohl hörte er sich an.
    „Wir verstehen uns. Und du begreifst sicher auch, dass jetzt andere Regeln gelten. Wer weiß, ob wir morgen tot sind. Ich will sie haben.“ Wie ein Raubtier zog Greg die Lippen zurück und entblößte die Zähne. „Komm mir nicht in die Quere. Danach überlasse ich sie dir.“
    „Was willst du tun?“, stieß Jan hervor.
    „Das wirst du schon noch sehen. Jedenfalls werde ich mich nicht so leicht abhalten lassen wie du heute Morgen.“
    Er wollte sie vergewaltigen! Die Vorratskammer. Greg auf ihr. Jan schnappte nach Luft.
    „Jan, der Indianer will sie auch. Er hat ihr den aufgeschlitzten Kojoten hingehängt. Und warum der sechste Stein, abgesondert in der Mitte? Sie ist die betörende Wilde, die er sich ausersehen hat. Wir riskieren unser Leben, um sie zu schützen.“
    „Und dafür muss sie einen Preis zahlen“, sagte Jan verzweifelt.
    „Der Preis ist nicht zu hoch – und vielleicht viel zu niedrig.“
    „Das darfst du nicht!“ Jan war lauter geworden, nun beherrschte er sich wieder. Er würde Greg nicht mit moralischen Vorhaltungen davon abbringen. „Sie wird dich anzeigen.“
    Greg schaute gelangweilt. „Drei Wochen, Jan. Wer weiß, was in drei Wochen alles passieren wird? Und was willst du nach den drei Wochen, die uns bevorstehen, noch nachweisen?“
    Jan musste ein anderes Argument versuchen. „Du spielst dem Feind in die Hände.“
    „Der Feind bekommt nicht einmal mit, was hier drinnen geschieht. Und egal, was wir mit ihr tun, das zickige Luder kann nicht durchbrennen. Der Typ da draußen gibt sich nicht damit zufrieden, Kojoten aufzuschlitzen. Sie weiß das und wird sich nur ein bisschen wehren.“
    Jan erschauderte.
    „Du hast mich verstanden?“ Greg stand auf, nahm seine rechte Faust in die linke Hand und ließ die Knöchel knacken. „Bleib noch ein bisschen hier sitzen und beruhige dich. Ein Wort zu Anna oder sonst jemandem und du wirst es bereuen. Aber wenn du schön stillhältst, gehört sie bald dir. Sie wird sich bestimmt von dir trösten lassen.“
    Jan zwang sich, einige Minuten sitzen zu bleiben und anschließend Jenny auf ihrem Rundgang entlang der Fenster zu begleiten, hinter denen die rötlichen Fäden den Horizont überspannten. Wie die blutigen Fäden des Schicksals, dachte Jan, während in seinem Kopf die Klänge von Wagners Walküre anhoben. Das Gewitter rückte näher.
    Als Laura die Wache übernommen und die beiden im Mädchenzimmer allein gelassen hatte, jammerte Jenny: „Ich grusele mich. Wenn ich mir vorstelle, dass der Indianer im Haus war und vielleicht mein Kopfkissen berührt hat ...“
    Jan entschuldigte sich und trat in den Flur. Er hatte lange genug

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