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Wildnis

Wildnis

Titel: Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Zahrnt
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gehen.“
    Greg stand auf und kam zu Jan. „Das Gewehr.“
    Warm und schwer ruhte es in Jans Händen.
    „Na mach schon!“, rief Laura. „Er kann damit umgehen, du nicht.“
    Jan überreichte das Gewehr und begleitete Anna bis zu ihrer Zimmertür. Sie blieb stehen. „Würde es dir etwas ausmachen, heute Nacht bei mir zu bleiben?“
    Jan schluckte und schüttelte den Kopf.
    „Danke! Holst du deine Matratze?“
    Als sie nebeneinander in der Dunkelheit lagen, flüsterte sie: „Was für ein verlogener Haufen! Sein Tamtam hätte Michael sich sparen können. Da macht er auf ehrwürdigen Richter und gibt einen Scheiß auf die Wahrheit!“
    „Seine Mutter ist Rechtsanwältin“, sagte Jan entschuldigend. „Warum hast du kapituliert?“
    „Vertrau mir!“
    „Du kannst doch nicht einfach so weitermachen! Wenn Greg es einmal probiert hat ... Wer weiß, wozu er fähig ist.“
    „Zu allem! Willst du wissen, wie er Jenny rumbekommen hat? Ich habe gehört, wie er Laura davon erzählt hat. Er hat Jenny versprochen, dass sein Vater ihr einen Trainee-Job bei Four Seasons verschafft. Drei Jahre, halb Arbeit, halb Ausbildung, und danach bezahlen sie den richtigen Studienabschluss.“
    „So einfach ...“ Jan wollte widersprechen, doch dann erinnerte er sich an das Gespräch zwischen Laura und Jenny am See. Ihre Sehnsucht und ihre Scham, das Verbot zu brechen, das ihre Eltern errichtet hatten. War das der Grund, weswegen sie mit Greg geschlafen hatte: um ihre Lust in ein Opfer zu verwandeln? In ein Opfer an das einzige Gebot, das in der Waagschale ihrer Eltern die jungfräuliche Unberührtheit überwiegen mochte: den Erfolg.
    „Ich lasse mich nicht bestechen wie Jenny“, sagte Anna. „Bei mir wird er zu anderen Mitteln greifen.“
    „Und deswegen müssen –“
    „Nicht so laut.“ Anna bewegte sich im Bett. „Ich habe klein beigegeben, weil ich fürchtete, dass die Anderen uns nicht funken lassen würden. Sie sind auf Gregs Seite und sie wollen sich ihren Aufenthalt hier nicht nehmen lassen. Michael hätte sicher eine Abstimmung daraus gemacht – und die hätten wir verloren. Aber morgen früh werde ich die Polizei rufen.“
    Jan sah einen Polizeihubschrauber landen, die überraschten, wütenden Gesichter der Anderen und er spürte seine eigene Enttäuschung, dass ihre Reise schon enden sollte. Doch es war unausweichlich. Die Dinge gerieten außer Kontrolle.
    Er hatte sich einlullen lassen von all dem Lob, das er für sein Gedicht bekommen hatte, von der fröhlichen Stimmung des Abendessens und seiner Erleichterung, wieder dazuzugehören. Gewiss, er hatte Anna zuvor gesucht, war gestern bei ihr auf der Lichtung gewesen, hatte einige Male das Wort für sie ergriffen – aber nicht entschieden genug. Mochte sie noch so viel selbst dazu beitragen, dass die Gruppe sie ausstieß, mochte er noch so sehr fürchten, selbst ausgeschlossen zu werden, heute Nacht hatte Greg eine Linie überschritten. Ab jetzt musste Jan bedingungslos zu Anna halten.

6. Tag
    Das Jungenzimmer war leer, Gregs Decke lag zerwühlt auf dem Bett, Michael hatte seine säuberlich zurückgeschlagen. Jan prüfte, dass sich niemand auf dem Balkon aufhielt, dann schaltete er das Funkgerät auf „On“. Nichts geschah.
    Natürlich, der Stecker! Er drückte ihn in die Steckdose. Das Funkgerät blieb dunkel.
    Er kippte den On-Off-Schalter einige Male auf und nieder. Nichts zu machen, er bekam das Gerät nicht an.
    Anna schlug ihre Tür zu und sagte laut: „Kein Problem, ich kann warten.“
    Jan trat zu ihr in den Flur. Sie bewegte nur ihre Lippen, doch er verstand: „Jenny.“
    „Kaputt“, wisperte er.
    Sie schob ihn in das Jungenzimmer und schloss die Tür hinter ihnen ab. Doch auch sie konnte das Gerät nicht zum Leben erwecken. „Greg hat es sabotiert.“
    „Es könnte defekt sein.“
    „Glaubst du an solche Zufälle? Nein, er meint es ernst.“
    War das denkbar? Dass Greg sie alle in Gefahr brachte, ihre einzige Verbindung zur Außenwelt abschnitt? Jan starrte auf das Funkgerät, auf all die Stellen, an denen ihre nervösen Finger den Staub verwischt hatten.
    Anna zog ihn mit sich in ihr Zimmer, drückte ihn aufs Bett, setzte sich neben ihn und nahm seine Hände in ihre. „Du musst mir helfen. Du musst dich auf ihre Seite schlagen und Greg überwachen und herausbekommen, was sie vorhaben!“
    „Ich war derjenige, der die Polizei holen wollte. Und mehr als einmal bin ich dir nach Streitereien hinterhergelaufen. Sie wissen, dass ich zu dir

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