Wildnis
verständigen?“
„Die Polizei!“
„Hmmm ... Es kann sein, dass ich eines Tages wirklich einen Rettungsflug brauche. Wenn ich mich jetzt zum Narren mache ...“
„Das ist ein Notfall! Der Kojote, die Brandwunden –“
„Brandwunden? Hat sich dein Freund beim Zündeln die Finger versengt und danach eine Abenteuergeschichte erfunden?“
„Nein, am Glied.“
„Das hält man selten ins Feuer ... Ich komme auf die Lichtung. Sag deinen Kumpels, dass sie nicht losballern sollen.“
„Der Mann kommt zu mir“, schrie Jan. „Nicht schießen. Er hilft uns. Nicht schießen!“
Eine Gestalt tauchte hinter dem Baum auf, zu dem Jan bislang gesprochen hatte. So kraftvoll der Mann wirkte, musste er die Fünfzig weit überschritten haben. Tiefe Falten durchzogen das unrasierte Gesicht, über das der schwache Schein der Feuer zuckte. Der Ansatz seiner dunklen Haare war ausgedünnt und an den Schläfen angegraut. Er verbarg seinen Argwohn nicht, während er Jan musterte. Sein Blick war ebenso rau und grob wie seine Stimme.
„O.k., ich funke für euch“, grummelte er schließlich. „Aber nicht die Polizei. Bei welcher Fluggesellschaft habt ihr den Rückflug gebucht?“
„Alaska Adventure Hoppers.“
„Ich sage ihnen, dass sie morgen kommen sollen. Könnte mehr kosten als der reservierte Termin. Seit ihr bereit, das zu bezahlen?“
„Geld spielt keine Rolle.“
Der Mann grunzte.
„Es soll früh kommen. Uns kann jederzeit etwas zustoßen!“
„Lasst die Unterwäsche an, wenn ihr euch ans Feuer setzt. Ich gehe jetzt zurück zu meiner Hütte.“
„Danke“, rief Jan ihm nach.
Der Mann verschwand in der Dunkelheit.
Die beiden ersten Holzhaufen loderten bereits im leichten Wind. Jan steckte auch die verbleibenden in Brand und kehrte ins Haus zurück. Auf dem Balkon erzählte er seine Geschichte.
„Was wusste er über Mr. Wilken und die Reffords“, fragte Michael.
„Darüber haben wir gar nicht gesprochen.“ Jan schaute beklommen. Er hätte mehr aus dem Einsiedler herausbekommen müssen.
„Das kann uns egal sein!“, rief Laura. „Morgen kommt unser Flugzeug und danach will ich diese Namen nie wieder hören!“
Jenny seufzte. „Wenn meine Eltern begreifen, was wir hier ausgestanden haben, werden sie mir vielleicht verzeihen.“
Laura guckte sie verständnislos an und lachte auf: „Ich habe einen fabelhaften Rat für dich: Halt einfach die Klappe!“
Ein verkohlter Ast rollte von einem der Holzhaufen, die Funken stoben höher als der Balkon. „Haben wir eine Brandschutzversicherung?“, ulkte Jenny mit übertriebener Hysterie und Michael rief: „Wir werden am letzten Abend doch nicht die Bude abfackeln!“ Alle lachten durcheinander.
„So fröhlich?“ Niemand hatte bemerkt, wie Anna in der Balkontür aufgetaucht war.
Michael zuckte zusammen. „Geht es dir besser?“
„Glaubt mir endlich, dass mich niemand gefoltert hat! Es ist nur der Schock.“
„War es der Indianer? Wie hat er euch überwältigt?“
„Ich kann noch nicht darüber sprechen.“
Michael schaute Jan an. Der sagte: „Lass ihr die Zeit, die sie braucht.“
„Wie du meinst.“ Michael blickte unzufrieden.
Anna bedeutete Jan mit einer Kopfbewegung, ihr zu folgen, und durchquerte das Jungenzimmer, wobei sie von Greg wegblickte. In ihrem Zimmer tippte sie mit dem Fuß gegen seine Matratze. „Die brauchst du nicht mehr. Ein Schlafanzug reicht.“
Als Jan umgezogen aus dem Bad kam, saß Laura am Fenster und grinste ihn an. „Ich kann nichts dafür. Wo immer mich mein Wachdienst hinführt, liegst du mit einer Frau im Bett.“
Nach der Hälfte der Nacht tauschten sie die Wache. Jan lehnte sich an die Brüstung des Balkons und suchte am Himmel vergeblich nach einem Stern. Außerhalb des Scheins ihrer Feuer war die Düsternis vollkommen, und selbst die Feuer waren an den meisten Stellen zu dunkler Glut zusammengesackt. Sie hätten noch mehr Holz sammeln müssen! Aber wer hatte schon vorhersehen können, dass der Wind die Feuer so anfachen würde?
Wie wenig Licht die Reste gaben ... Er lief hinüber zu Anna. Auf ihrer Seite waren die Feuer noch weiter abgebrannt, die Glut verhüllte sich bereits mit Asche. Beide fühlten sich mulmig und hielten es für angebracht, die Anderen zu wecken. Laura zog sich die Decke über den Kopf und blieb im Bett. Zu viert starrten sie hinaus in die Dunkelheit und gestanden sich ein, dass sie einen Angreifer nicht sehen würden. Es half nichts: Sie mussten neues Holz beschaffen. Noch
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