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Wildnis

Wildnis

Titel: Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Zahrnt
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Treppe öffneten, die Haustür aufschlossen und hinaustraten.
    Jan steuerte energisch auf den ersten Holzhaufen zu. Er schüttete Spiritus über einige Scheite, zündete ein zerknülltes Blatt Papier an und warf es auf den Haufen. Mit einem dumpfen Knall stand das Holz in Flammen. Er eilte zum zweiten Haufen und setzte ihn in Brand. Der dritte Haufen lag an der Hausseite, gerade außerhalb von Jennys Blickfeld. Das rötliche Licht, das über die Wiese zuckte, und das Knacken des Feuers verstärkten sein Gefühl der Wehrlosigkeit. Licht und Lärm vertrieben den Schauer der Stadtmenschen, die existenzielle Angst des Wilden hingegen wuchs, wenn er sich seiner warnenden Sinne beraubt fühlte.
    „Komm hierher!“, rief ihn eine raue Männerstimme aus dem Wald.
    Jan ließ den Kanister fallen. Spiritus schwappte ihm über die Schuhe.
    „Renn nicht weg, bleib ruhig, hab keine Angst!“
    „Alle ins Haus!“, brüllte Jan mit ganzer Kraft, ohne sich zu rühren.
    „Was ist?“ Laura schrie aus dem Fenster hinter ihm.
    „Hier ist ein Mann!“, brüllte Jan zurück.
    „Was ist bei euch los?“, fragte der Unbekannte.
    „Jenny, komm schnell!“ Laura kreischte so grell, dass sie kaum verständlich war.
    „Wir wurden angegriffen.“
    „Da, im Wald!“, schrie Laura. „Schieß!“
    „Lasst das!“, brüllte der Mann. „Ich stehe in Deckung und ihr wollt euren Freund hier nicht verletzen.“
    „Nicht schießen!“, brüllte auch Jan.
    „Willst du nicht ein paar Schritte näher kommen, dann können wir uns besser unterhalten.“
    Jan näherte sich dem Waldrand. Wenn der Andere ein Gewehr hatte, kam es auf ein paar Meter nicht an.
    „Bleib hier!“, rief Michael vom Haus her.
    „Danke“, sagte der Mann. „Ich bin es nicht gewohnt zu schreien.“ Lachte er? „Ich bin es nicht einmal gewohnt, viel zu sprechen.“
    Jan meinte, den mächtigen Stamm identifiziert zu haben, hinter dem die Stimme hervorkam. „Wer bist du?“
    „Ich lebe hier. Seit dem Frühjahr letzten Jahres. Und ihr?“
    „Wir sind Abiturienten. Seit einer Woche sind wir in dem Haus.“
    „Ich komme selten auf diese Seite. Das Tal ist groß, ich hatte euch bislang nicht entdeckt.“
    „Was machst du dann hier mitten in der Nacht?“ Ein kühler Windhauch strich Jan übers Gesicht, die Blätter rauschten.
    „Ich war auf dem Rückweg vom Jagen. Ziemlich verspätet. Da habe ich Schüsse gehört. Mir scheint, der Indianer ist wieder im Tal, ich bin auf menschliche Spuren gestoßen. Aber wenn er wie letztes Jahr zu Fuß aus dem Süden gekommen ist, muss er seine Munition mitschleppen. Er würde nicht so rumballern.“
    „Wir haben nicht rumgeballert, sondern geübt.“
    „Von mir aus. Und die Festbeleuchtung?“
    „Jemand ist in das Haus eingedrungen und hat einen von uns verletzt.“ Für einen Moment glaubte Jan, dass er die Wahrheit sagte.
    „Verdammt!“ Kurzes Schweigen. „Gut, dass ich euch gehört habe.“
    „Wir stecken in Schwierigkeiten. Gestern haben wir einen aufgeschlitzten Kojoten gefunden, der uns warnen oder Angst einjagen sollte.“
    „Aufgeschlitzt?“
    „Und dann an seinen eigenen Gedärmen aufgehängt.“
    „Ich erlege alle paar Tage ein Tier, aber so etwas.“ Ärger klang aus der spröden Stimme des Einsiedlers.
    „Wir haben daraufhin eine Wache aufgestellt. Trotzdem ist möglicherweise jemand ins Haus eingedrungen.“
    „Hast du nicht gesagt, jemand ist verletzt?“
    „Ja ... Aber der Hergang ist unklar.“
    „Was erzählst du da?“ Die Stimme des Einsiedlers zeugte von Misstrauen. „Einer von euch ist verletzt, du weißt aber nicht, wie er sich verletzt hat und ob überhaupt ein Fremder bei euch eingedrungen ist?“
    „Ich schwöre, ich sage die Wahrheit.“
    „Komm zurück!“ Michael schrie erneut dazwischen.
    Jan drehte sich zum Haus um. „Gleich!“
    „Warum lasst ihr euch dann nicht ausfliegen?“
    „Das Funkgerät ist defekt.“
    „Ich würde sagen, dass ihr ohne mich weiterspinnen könnt. Aber würdet ihr aus Jux gleich die Fenster vernageln und Feuer aufstellen?“
    „Wir brauchen Hilfe!“
    „Da bin ich mir sicher. Ich frage mich bloß, welcher Art.“
    „Wir sind nicht verrückt! Da draußen läuft ein Verrückter herum.“
    „Das habe ich schon mal irgendwo gehört.“ Der Einsiedler lachte abgehackt. „Vielleicht früher in einer Fernsehserie.“
    „Du musst uns helfen! Hast du ein Funkgerät?“
    „Ja.“ Die Antwort kam zögerlich.
    „Wie weit entfernt wohnst du?“
    „Wen soll ich

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