Wildnis: Thriller - Band 3 der Trilogie
verprügelt, wahrscheinlich, weil auch er unter Drogen stand. Das war paranoid!
Sie litt unter Verfolgungswahn – aber niemand konnte wissen, ob sie die Flucht wählen würde oder den Angriff. Er überlegte sich, was er an ihrer Stelle unternehmen würde. Entweder sich mit Lebensmitteln für eine Woche eindecken und in den Wäldern nördlich Berlins verschwinden oder ein Auto klauen und nach Polen fahren, soweit der Tank reichte.
Doch was würde Anna tun, nicht seine, sondern die geisteskranke? Wie hasserfüllt sich ihre Stimme angehört hatte, als sie von Benounes sprach! Jan musste wieder an das Bild vom Nordmeer denken. Tatsächlich war ihm ein wenig kalt, die Eindringlichkeit dieser Vorstellung mochte daher rühren. Er legte sich die Decke über die Beine. Könnte sich Anna an Herrn Benounes rächen wollen? Könnte sie glauben, ihren imaginären Feinden einen Schlag zu versetzen, wenn sie den Arzt ausschaltete? Sie könnte sich sogar die Spionin Chris vornehmen. Er wurde auch schon paranoid.
Vorsichtshalber rief er bei Chris an und hinterließ auf ihrem Anrufbeantworter eine Bitte um Rückruf.
Er ging ins Bad, machte sich bettfertig, trödelte und blieb schließlich vor der Schlafzimmertür stehen. Die beiden Polizisten unterhielten sich leise im Wohnzimmer. Endlich gab sich Jan einen Ruck, ging hinüber und erklärte ihnen, dass sie Herrn Benounes und Chris warnen müssten. Sie teilten ihm gelassen mit, dass Herr Benounes bereits zu erhöhter Achtsamkeit angehalten worden sei und man diese Chris nicht erreicht, aber die Schulleitung informierte habe. Jan bat um die Telefonnummer des Psychiaters. Sie wurde ihm ebenso verweigert wie sein Wunsch, dass die Polizei für ihn anrufen und ihm das Telefon danach weiterreichen möge.
Die Polizisten berichteten, dass das Internetcafé lokalisiert worden sei, von dem Anna den Anruf getätigt hatte. Sie war kurz vor dem Eintreffen des ersten Streifenwagens gegangen. Und obwohl der Inhaber eine genaue Beschreibung ihrer Kleidung abgegeben hatte, war sie entkommen. Zum Gesicht konnte der Mann nichts sagen, da sie einen Schleier getragen hatte. Womit sie in Kreuzberg nicht auffiel, der Ort war geschickt gewählt.
Trotz seiner Sorgen schlief Jan bald ein. Nach einer Stunde weckte ihn ein Albtraum, dessen Erinnerung sich schnell verlief, nur das Gefühl der Bedrohung blieb zurück. Er griff unters Bett und zog seinen Laptop hervor, den ihm die Polizisten ebenfalls wieder ausgehändigt hatten. Während das Betriebssystem startete, dachte er nach, wie er mit Herrn Benounes in Kontakt treten könnte.
Die erste Suche ergab keinen Treffer: Kein Benounes hatte sich ins Berliner Telefonbuch eingetragen. Welcher Psychiater wollte schon nachts von seinen Patienten angerufen werden?
Jan dachte zurück an die Psychiater, die er heute dabei beobachtet hatte, wie sie ihrem Feierabend entgegenstrebten – und sah die Krankenhausmitteilungen wieder, die er im Empfangsbereich zum Zeitvertreib gelesen hatte. Es war ihm, als habe da etwas über Benounes gestanden und der Vorname hatte ... Farid gelautet. Das war es, Farid! Jan hatte zunächst Fakir gelesen, und so war der Name in seinem Gedächtnis hängen geblieben.
Er probierte sein Glück mit einigen dieser Seiten, die alle Informationen zu einer Person aus dem Internet zusammentragen, wurde jedoch nur mit einem algerischen Fußballer zugemüllt, der in Frankreich spielte. Überhaupt war Algerien das Land, das am häufigsten im Zusammenhang mit diesem Namen auftauchte.
Jan fasste zusammen, was er wusste: Farid Benounes, Psychiater, Mitte fünfzig, unter einssiebzig groß, vermutlich Algerier, wohnhaft in Berlin. Wahrscheinlich nicht allzu weit entfernt von seiner Arbeitsstelle, irgendwo in einer Villengegend am westlichen Stadtrand.
Er kam nicht weiter und dachte wieder an Anna, wie sie sich in Kreuzberg als Muslimin getarnt hatte, das war eine bizarre –
Muslimisch! Farid Benounes war zuständig für die muslimische Seelsorge in der Psychiatrie, das war es gewesen, was auf dem Anschlag gestanden hatte. Und später, als Jan sich mit Herrn Benounes unterhalten hatte, ohne den Zusammenhang herzustellen, hatte der sich über seine eigene Ausdrucksweise belustigt: Wie ein Seelsorger würde er schon klingen, dabei sei er doch eigentlich Arzt.
Jans Suche zeigte, dass es in Berlin 61 Moscheen gab.
Er probierte einige Kombinationen aus Farid Benounes und Moschee, Islam, Seelsorge, Psychiater und Berlin, überflog jeweils die erste
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