Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wildnis: Thriller - Band 3 der Trilogie

Wildnis: Thriller - Band 3 der Trilogie

Titel: Wildnis: Thriller - Band 3 der Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Zahrnt
Vom Netzwerk:
unterwegs war, kam ihm der Gedanke, dass sein Suchen nutzlos sei. Entweder, so dachte er, war der Knabe längst voraus und schon in der Stadt angelangt, oder, wenn er noch unterwegs sein sollte, würde er vor ihm, dem Verfolgenden, sich verborgen halten.‘
    War das ein Zufall, dass er just an dieser Stelle hängen geblieben war? Eher eine Leistung des Unterbewussten, das sich von seiner früheren Lektüre erinnerte, dass es diese Passage im Siddhartha gab.
    Wo Farid nur blieb?
    Jan schlug das Buch zu und suchte nach der schmalen Lücke im Regal, um es zurückzustellen, da hörte er leise Schritte hinter sich. Farid reichte ihm ein paar Wollsocken und nahm ihm das Buch ab. Jan setzte sich an das Tischchen und zog sie an, die feuchten Turnschuhe hängte Farid an den Schnürsenkeln über den Griff eines Fensters.
    Sie saßen still beieinander und Jan war froh, dass sie die Tour hinter sich hatten. Schließlich stellte er eine der Fragen, die ihn den ganzen Tag über beschäftigt hatten: „Warum werden Menschen verrückt?“
    „ Habt ihr im Biounterricht diese Kleinstlebewesen unter dem Mikroskop betrachtet, die überall im Wasser schwimmen?“
    Jan nickte. Es hatte ihn geekelt.
    „ Man verschluckt sie zu Tausenden, ohne sich ihrer je bewusst zu werden. Sie selbst werden sich ihrer wohl auch nicht bewusst, ihre Intelligenz reichte gerade einmal aus, auf Lichtquellen zuzusteuern. Der Mensch hingegen besitzt einen freien Willen, er kann komplexe Situationen analysieren, Millionen von Informationen speichern und Gefühle empfinden.“
    Jan hatte den Eindruck, dass Farid diesen Vergleich schon oft genutzt hatte und doch in diesem Moment authentisch für die Möglichkeiten des menschlichen Gehirns schwärmte.
    „ Supercomputer schlagen uns im Schach, Vögel orientieren sich besser, Insekten reagieren schneller, aber keine Maschine und kein Tier kommt uns in unserer Vielseitigkeit gleich. Und dieses System funktioniert fast immer bei fast allen Menschen. Vergleich das mit der Fehlerfreudigkeit von Computern und Handys und man könnte meinen, dass jede Kleinstadt eine psychiatrische Anstalt bräuchte.“
    Jan nickte wieder und dachte an ihre Waschmaschine, bei der die Hälfte der Programme nicht mehr lief. „Wie viele Menschen werden im Laufe ihres Lebens denn psychisch krank?“
    „ Wann ist ein Mensch psychisch krank?“
    Jan überlegte. Er glaubte nicht, dass man auf den bunten Computertomographien des Gehirns psychische Erkrankungen ablesen konnte. Vielleicht in Extremfällen, aber nicht so standardmäßig, wie man Grippe mit einem Fieberthermometer erkannte. „Wenn einer mit dem Leben nicht zurechtkommt, obwohl er die geistigen Fähigkeiten dazu hat“, sagte er und fand, dass das eine kluge Definition war.
    Farid überlegte. „Kommst du immer mit dem Leben zurecht? Und willst du das überhaupt? Wie fändest du einen Menschen, dessen Partner stirbt, und er geht am nächsten Tag zur Arbeit und am Abend zur Skatrunde? Und meinst du, alle Obdachlosen sind psychisch krank?“
    „ O.k., man muss auf verschiedene Aspekte achten. Wie schwer es den Leuten fällt, ein halbwegs normales Leben zu führen. Wie lange dieser Zustand anhält. Wie sehr sie daran leiden, und wie sie innerlich darauf reagieren.“
    „ Ja, so ähnlich würde ich das auch sehen.“
    „ Wie stark sind solche Störungen erblich?“
    „ Genetische Veranlagung, persönliche Vergangenheit und aktuelle Umwelt spielen immer zusammen, in unterschiedlichem Maße je nach Krankheit. Über die genaue Zuschreibung wird heftig gestritten, ich selbst gehöre zu denen, die der Kindheit einen besonders hohen Stellenwert einräumen. Allerdings bin ich nicht nur Psychiater, sondern auch Psychoanalyst.“
    Jan schaute fragend. Farid sagte lapidar: „Psychiater wissen nach fünf Minuten, welche Medikamente du brauchst, und die Psychoanalysten haben noch keine drei Worte gewagt, nachdem du hundert Stunden auf ihrer Couch gelegen hast.“
    „ Klingt beides ein bisschen extrem.“
    „ Es gibt Alternativen, zum Beispiel die kognitiven Verhaltenstherapeuten. Die bringen dir bei, nicht mehr an deine Probleme zu denken und keine Schokolade hinten in den Schubladen aufzubewahren. Und wenn dir das zu streng ist und du mehr Lust auf Wachsstifte und Klangschalen hast, kannst du zu einem Gestalttherapeuten gehen. Das macht am meisten Spaß, würde ich sagen.“
    „ Du hältst von alldem nicht viel.“
    „ Ich halte mehr von den Lehrern als von den Schulen.“ Jan dachte

Weitere Kostenlose Bücher