Wildrosengeheimnisse
beruhigen, die in dem neuen Kleid zuckersüß aussehen könnte, wenn sie nicht so ein schmollendes Gesicht machen würde.
»Pah. Soll er doch heimfahren, wenn es ihm da besser gefällt.«
Mit diesen Worten verschwindet Nini in ihrem Zimmer und dreht laut die Musik auf.
Insgeheim muss ich lachen.
Es ist völlig egal, wie alt man ist, die Probleme mit dem anderen Geschlecht sind immer die gleichen.
Natürlich steht die Kleine momentan ganz schön unter Stress wegen ihrem Abi. Und erwartet Verständnis und liebevolles Gehätschel, was Männer leider sehr häufig nicht erkennen und überdies auch für unnötig und übertrieben halten. Zum Glück kommt zur Ablenkung Ninis Freundin Franziska vorbei, um wieder einmal mit ihr zu büffeln.
Franziska kommt mir manchmal vor wie aus einer anderen Welt oder einem anderen Jahrhundert, so verträumt wirkt sie. Mit ihren langen roten Locken und ihren riesengroßen und wunderschönen grünen Augen, die meist traurig aussehen, ihrem kleinen, zarten Gesichtchen, das selbst im Sommer keine Farbe anzunehmen vermag, und ihrer schmalen Figur wirkt sie so zerbrechlich wie ein Schmetterling. Wenn man sie zum ersten Mal sieht, würde man sie vermutlich nicht als schön, sondern allenfalls als apart empfinden. Sieht man allerdings genauer hin, entdeckt man jenen Teil der Schönheit, der verborgen hinter ihrer Traurigkeit liegt und sich einem nur dann offenbart, wenn sie einem ein kostbares kleines Lächeln schenkt. Dies geschieht jedoch äußerst selten und der kurze Moment der Fröhlichkeit wird sofort abgelöst von einem weiteren melancholisch-düsteren Blick. Außerdem scheint sie dünner zu werden. Heute stecken ihre klapperdürren Beinchen in einer dunkelbraunen Strumpfhose mit dicken gestrickten Stulpen darüber und cognacfarbenen Boots. Dazu trägt sie eine ebenfalls cognacfarbene Wildleder-Shorts und einen groben Strick-Poncho darüber. Ich bin sicher, dass dieses Outfit, das aussieht, als hätte sie sich nur zufällig etwas übergeworfen, in Wirklichkeit richtig teuer war. Franziska ist nämlich Einzelkind und ihre Eltern sind sehr wohlhabend, darum kann sie sich alles kaufen, was ihr kleines Herz begehrt. Nur nicht die Zeit und die Aufmerksamkeit ihrer Eltern, die mit ihrem Designer-Möbelhaus am Rande der Stadt nicht nur richtig viel Geld machen, sondern leider eben auch nie da sind, wie ich von Nini weiß. Ob sie deshalb so dünn und traurig ist? Welch ein Unterschied zu Nini, die gerade die Treppe heruntergehüpft kommt, weil sie ihre Freundin gehört hat. Mit ihrem blonden Pferdeschwanz und ihrem hellgrünen Pulli strotzt sie nur so vor Gesundheit und Lebensfreude und steuert zielstrebig auf die Küche zu, um für die Lernerei etwas Verpflegung in Form von Schoko-Seehupferln zu organisieren, von denen die kleine Franziska mit Sicherheit kein einziges verzehren wird.
*
Noch ist es winterlich kalt am Bodensee. Trotzdem drehen Jojo und ich jeden Tag eisern unsere kleine Runde am See. Die Luft ist klar und frisch und die Bewegung tut gut. Dabei kann ich so wunderbar meine Gedanken schweifen lassen.
Die Geschichte mit der verschwundenen Isabella geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Besonders, als die flotten BBP-Ladys gut gelaunt mit den Worten »Endlich habt ihr wieder auf.« in das Café einfallen und neue Gerüchte zum Besten geben.
Sobald die Ladys sich mit Cappuccino und Mango-Seehupferln mit weißer Schokolade eingedeckt haben, legen sie los. Natürlich ist es wie fast immer Veronika Möhrle, die die neuesten Dinge weiß:
»Also, die Frisörin von meiner Schwägerin kennt eine Frau, die im gleichen Haus wie die Grothes wohnt, eine Frau Steinle«, beginnt sie vielversprechend.
Das bedeutet doch sozusagen Neuigkeiten aus erster Hand.
»Und die hat erzählt, dass es da schon immer Ärger gab in der Ehe von den Grothes. Bei ihnen ging’s wohl oft recht laut zu, vor allem, wenn dieser Ronny mal wieder besoffen war. Dann haben sie geschrien und mit den Türen geknallt und solche Sachen. Und manchmal hat Frau Steinle die arme Isabella im Treppenhaus getroffen, mit verweinten Augen oder irgendwelchen Kratzern oder blauen Flecken. Isch des nicht ein Drecksack?«
Frau Möhrle hat ihre großen Kulleraugen weit aufgerissen und ist mindestens so entrüstet wie ihre Freundinnen nach diesen Worten.
»Angeblich war der wohl total eifersüchtig und hat ihr alles verboten. Dass die kein Kopftuch tragen musste, war schon alles. Sie hat immer bloß gekocht und geputzt und nirgends
Weitere Kostenlose Bücher