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Wildrosengeheimnisse

Wildrosengeheimnisse

Titel: Wildrosengeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Rath
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ihrer Abreise nichts von der Schwangerschaft gesagt hatte. Doch sie versteht, dass ich sie nicht unnötig belasten wollte, und verspricht, spätestens im Frühling mitsamt Ehemann und Kinderwagen wieder da zu sein.
    Also geht es mir gut, meistens jedenfalls. Nur in der Nacht quälen mich Ängste, ob und wie ich alles bewältigen soll. Glücklicherweise haben die unheimlichen Anrufe aufgehört, jedenfalls so gut wie. An einem wunderschönen Spätsommerabend liege ich nach einem heißen und wie üblich anstrengenden Tag gemütlich auf dem Sofa, Jojo zu meinen Füßen, als es auf einmal stockduster im Zimmer wird. Der Himmel ist unversehens kohlrabenschwarz und man kann die andere Seite des Sees nicht mehr sehen, Himmel und Wasser scheinen zu verschmelzen. Die Starkwindwarnung ist bereits in vollem Gange und es beginnt zu tröpfeln. Das sieht nach Gewitter aus. Es war aber auch unerträglich schwül heute. Widerstrebend stehe ich von meinem gemütlichen Plätzchen auf und räume auf der Terrasse die Polster der Stühle herein. Dann sorge ich dafür, dass alle Stühle und Schirme fest stehen. Die Palmen- und anderen Blumentöpfe stelle ich sicherheitshalber unter das Dach. Ich schaffe es gerade noch, mit allem fertig zu werden, als es zu blitzen und zu stürmen beginnt. Nichts wie rein ins Haus. Jojo freut sich überschwänglich. Mein kleiner Wachhund fürchtet fast nichts so sehr wie Gewitter. Allerdings muss Jojo noch ein kleines Pfützchen machen. Ausgerechnet jetzt. Ich lasse sie nur schnell in den Vorgarten, bei dem Wetter wird sie schon nicht weglaufen. Doch Jojo schnuffelt und schnuffelt in der Rosenhecke herum und kommt ewig nicht zurück.
    »Jojo, hierher«, rufe ich laut. Doch Jojo kommt nicht unter der Hecke hervor. Es bleibt mir nichts weiter übrig, ich muss doch die Leine nehmen und sie dort wegzerren.
    Was hat sie denn da? Das sieht wie ein Foto aus, ein Ultraschallfoto. Komisch, wie kommt das jetzt unter die Hecke? Also, von meinem Baby ist das nicht, das weiß ich sicher. Schließlich liegt das auf meinem Nachttisch. Was die Leute alles so in fremde Gärten werfen, das ist doch wirklich unglaublich. Jetzt aber schnell zurück ins Haus. Bevor ich es mir jedoch endlich wieder auf meinem geliebten Sofa gemütlich machen kann, piepst mein Handy. Das wird eine SMS von Nini aus Paris sein, denke ich und freue mich, dass sie offenbar gut angekommen sind. Jedoch ist die Nummer unterdrückt und ich lese eine geheimnisvolle Botschaft:
    ›Komm bitte sofort in den Goldbacher Stollen. Es geht um unser beider Glück.‹
    Was soll das denn? Ich verstehe nur Bahnhof. Ich kenne den Goldbacher Stollen nur vom Hörensagen und bin nie dort gewesen. Er befindet sich ausgangs Überlingen kurz vor dem Ortsteil Goldbach auf der anderen Seite der Bahnlinie in der Nähe des Campingplatzes.
    Ich weiß nur, dass nach der Bombardierung der Friedrichshafener Industrieunternehmen, die im Zweiten Weltkrieg Rüstungsgüter herstellten (wie Luftschiffbau Zeppelin, Maybach, Dornier und Zahnradfabrik), ein unterirdisches Stollensystem angelegt wurde, um die Rüstungsgüter weiterhin produzieren und vor Bomben schützen zu können. Aus diesem Grund wurden rund 800 Häftlinge aus dem KZ Dachau geholt, die gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in Goldbach ein rund vier Kilometer langes Stollensystem aus dem Melassefelsen ausgraben mussten. Den Aushub aus dem Berg schütteten sie in den Bodensee; auf ihm wurde später der Überlinger Campingplatz errichtet. Es ist die Rede davon, dass mindestens 200 Häftlinge die katastrophalen Arbeitsbedingungen nicht überlebten. Heute dienen diese Höhlengänge als Winterlager für Boote oder als Gedenkstätte, in welcher Führungen stattfinden. Es geht um unser beider Glück? Das klingt aber theatralisch. Wer schreibt denn so etwas? Es gibt nur einen, der dafür infrage kommt. Christian. Vielleicht hat er ein neues Handy? Was soll ich jetzt tun? Ehrlich gesagt, habe ich keine Lust, bei diesem Wetter das Haus zu verlassen. Ich schnappe die Fernbedienung und zappe lustlos durch die Programme. Dann mache ich den Fernseher wieder aus und gehe in die Küche, um mir ein Glas Saft zu holen. Es geht um unser beider Glück. Wer, um Himmels willen, ist denn mit ›unser beider‹ gemeint? Verflixt, diese blöde SMS lässt mir keine Ruhe. Nervös laufe ich im Zimmer auf und ab und schaue immer wieder aus dem Fenster, um den Sturm draußen zu beobachten. Der See, der heute Nachmittag noch so ruhig und lieblich blau vor

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