Wildrosengeheimnisse
zum ersten Mal sah. Es gibt Orte, die die Seele berühren, und dieser hier ist so ein Ort. Das schöne alte Haus, der wundervolle Garten mit der Rosenhecke und dem Bootssteg, an dem die ›Sommerwind‹ liegt. Mein Zuhause. Ich möchte es um keinen Preis der Welt aufgeben. Und ich möchte auch nicht, dass es mit Christian endgültig zu Ende ist. Ich muss mit ihm reden. Die Frage ist nur: Wie stelle ich das an?
Ach, Frieda, was soll ich nur tun?, denke ich wie so oft in den vergangenen Monaten.
›Höre auf dein Herz. Nur das kann dir die richtige Antwort geben. Und wenn du ehrlich bist, hat es das doch schon längst getan.‹
Vermutlich werde ich langsam verrückt, denn ich höre Friedas Stimme genauso klar, als wenn sie jetzt neben mir säße in ihrem geblümten Kleid, mit ihrer schmalen Hand, die ihre Teetasse hält, und ihrem feinen Gesicht, das mich dabei anlächelt.
Und auf einmal weiß ich genau, was ich tun muss. Ich denke an die Briefe in Friedas Nachttisch, die mit dem Seidenbändchen zusammengehalten wurden und so wichtig für sie waren, dass sie sich nie davon getrennt hätte.
Dann gehe ich ins Haus, um Papier und Stift zu holen und mir eine gute Tasse Tee zu machen.
›Lieber Christian‹, fange ich an, doch die ersten Blätter wandern in den Papierkorb. Irgendwie kommt mir alles so blöd vor, so banal, was ich von mir gebe.
›Ich sitze auf der Terrasse der ›Butterblume‹ und betrachte dein Segelboot.
Wie gern würde ich jetzt mit dir an Bord gehen und die idyllische Stimmung auf dem See genießen. Wir könnten wieder nach Langenargen segeln und dort in einer Bucht ein Picknick machen – wie im letzten Jahr. So viel ist seitdem geschehen.
Weißt du noch, wie du mir sagtest, du würdest gern mit mir in der ›Butterblume‹ leben? Und dass du dich freuen würdest, wenn vielleicht ein kleines Mädchen mit Zöpfen mit dem Hund im Garten spielen oder ein kleiner Junge mit dir segeln würde? Wir könnten diesen Traum leben, lieber Christian, denn ich bekomme ein Kind von dir. Ich weiß, ich habe mich kindisch und dumm verhalten und möchte mich dafür entschuldigen. Mein blöder Stolz hielt mich davon ab, dies schon früher zu tun.
Doch ich hoffe, dass es noch nicht zu spät ist.
Ich würde mich freuen, wenn du bald einmal zum See kommen würdest.
In Liebe, Maja‹
Gut, der Brief ist nicht so schön wie der, den Frieda von Hermann bekommen hat.
Aber er spiegelt meine Gefühle wider und die Wahrheit. Nun ist es an ihm, sich zu äußern. Bevor ich es mir anders überlegen kann, ziehe ich meine Schuhe an und fahre den Brief zur Post.
*
In den folgenden Wochen ist die Spannung kaum auszuhalten. Jeden Tag gehe ich zum Briefkasten, um nachzusehen, ob Christian mir auf meinen Brief geantwortet hat. Doch abgesehen von Rechnungen, Werbung und einer hübschen Karte, auf der der Eiffelturm zu sehen ist, finde ich nichts. Auch mein Handy bleibt stumm, nicht einmal eine SMS kommt von ihm.
In den ersten Tagen kann ich mir fest einbilden, er habe den Brief noch nicht erhalten oder sei vielleicht weiterhin in Kanada. Doch nach ein paar Wochen ist mir klar, dass er, selbst wenn er zwischendurch in Kanada war, inzwischen längst in Stuttgart zurück sein müsste und somit in den Besitz des Briefes gelangt sein sollte.
Die Erkenntnis trifft mich hart: Christian will mich nicht mehr sehen. Dieser Schmerz zerreißt mir buchstäblich das Herz. Nächtelang weine ich mich in den Schlaf. Ich stelle mir die Frage, ob ich alles kaputt gemacht habe. Oder er schlicht und ergreifend eine andere vorzieht. Ich fühle mich schlecht und kann kaum essen und schon gar nicht schlafen, weswegen ich aussehe wie ein Gespenst. Doch irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit und vielen Tränen, verdrängt auf einmal Wut das Gefühl der Trauer.
Okay. Es tut zwar noch höllisch weh, aber wenigstens weiß ich jetzt, woran ich bin. Ich finde es zwar unmöglich, dass er mir nicht einmal zwei Zeilen dazu schreiben kann, aber wenn ihm sogar das zu viel ist, auch gut. Ich werde schon darüber hinwegkommen. Sagt man nicht immer, dass die Zeit alle Wunden heilt? Schließlich gibt es noch etwas anderes im Leben als Männer. Von meiner wundervollen Tochter einmal abgesehen und dem Baby, auf das ich mich immer mehr freue, habe ich auch noch meine Freunde und meine Arbeit.
Jetzt, da die Saison langsam vorüber ist, kann ich mich wieder viel mehr den Gästen und neuen Ideen für Seehupferl widmen.
Ruth ist mir eine wichtige Stütze
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