Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
Vom Netzwerk:
muss«, spricht Waskovic freundlich in meinen Albtraum hinein. »Aber dein Mann ist ja bei ihm, da hat er etwas Trost.«
    »Scheißkerl! Was hast du mit Yannick gemacht?«
    »Na, na! Ich darf doch bitten – sonst …« Er zieht das Rülpsmonster hervor und macht eine Geste, als schneide er ihm die Gurgel durch. Sein Lachen dringt gleich doppelt zu mir herüber – von der anderen Uferseite und durchs Handy.
    »Halt! Stopp!«, flehe ich. Was soll ich tun? Schwimmen? Bei sechs Grad Außentemperatur? Die Fähre von der Kette lösen und übersetzen? Keine Chance – ich bin nicht Hulk. Meine Synapsen sprühen Funken, doch mehr als ein Kurzschluss kommt dabei nicht heraus.
    »… sie konnten zusammen nicht kommen, das Wasser war viel zu tief …« In meiner Panik stürze ich mich bis zu den Knien in die Fluten.
    »Nicht doch!«, ruft Waskovic herüber. »Mach keine Dummheiten!«
    Er hat recht. Ich käme allenfalls tot drüben an.
    Wenn ich jetzt losrennen würde, zu meinem Wagen, so schnell wie möglich über die Brücke, auf die andere Seite, hinter ihm her … Ich wate aus dem Wasser, schaue mich notgedrungen nach ihm um und sehe, dass er sein Handy ans Ohr hält.
    »Mach dir keine Mühe«, sagt er, »deine beiden Schätzchen sind nicht hier, Ehrenwort! Geh einen Kaffee trinken und etwas essen, damit du bei Kräften bleibst. Du wirst noch einiges zu erledigen haben. Ich melde mich.«
    »Halt!«, rufe ich. »Bitte – ist Yannick okay? Und Markus? Kann ich mit ihnen sprechen? Was kann ich tun? So sagen Sie doch etwas!«
    »Immer mit der Ruhe, Schätzchen, lass ihnen doch ein bisschen Spaß! Für dich habe ich mir in der Zwischenzeit auch etwas Nettes ausgedacht. Wie hast du dich neulich noch so schön über unsere Gegend geäußert? Dass du dort nicht tot überm Zaun hängen willst?«
    Fieberhaft überlege ich, wo und wann ich das gesagt haben könnte. Richtig, auf dem matschigen Feldweg in der Nähe seiner Villa. Während ich auf die Kaulquappe wartete und mir Kuhscheiße von der Schuhsohle kratzte. Und mit dem Handy mit Markus quatschte.
    »Tja, mein Täubchen, du merkst, auch ich halte gelegentlich Augen und Ohren offen!«
    »Wo ist Yannick?«, schreie ich über das Wasser. Doch er hebt nur die Arme, mit offenen Handflächen, als wolle er sagen, Gott allein kennt die Antwort – und Gott, das ist nach seinem Verständnis zweifellos er. Er wendet sich ab und verschwindet zwischen den Bäumen.
    »Und was ist mit der Leiche?«, rufe ich ihm hinterher, aber zu spät. Plötzlich ist da ein Opa, begleitet von einer Art Dackelterrier. Keine Ahnung, wo er herkommt. Er betrachtet mich stirnrunzelnd, geht weiter, schaut sich einmal nach mir um, bleibt dann seelenruhig stehen und wartet, bis der Hund fertig gepinkelt hat.
    Ich renne los, zurück zu meinem Wagen. Inzwischen parkt ein weiteres Fahrzeug dort, ein junger Mann mit Strickmütze und Trillerpfeife steht wenige Meter entfernt und wartet offensichtlich auf seinen Labradorwelpen. Er tritt eilig beiseite, als ich den Rückwärtsgang reinjage und mit quietschenden Reifen davonschieße, unter den mächtigen Betonpfeilern hindurch, durch die Auenlandschaft, über die Brücke, auf die andere Seite des Flusses. Mit einer Vollbremsung stoppe ich auf dem dortigen Parkplatz, springe aus dem Wagen und falle der Länge nach in eine Pfütze. Ein stechender Schmerz in meinem Knie raubt mir für einen Augenblick den Atem. Ich rappele mich auf, ignoriere das Pochen und renne ins Flusstal hinunter, zwischen den Brückenpfeilern hindurch zurück in Richtung Siegufer. Schnaufend gelange ich zum Fähranleger und an die Stelle, an der Waskovic vor nicht einmal zehn Minuten gestanden hat. Aber zehn Minuten können verdammt lang sein: Kein Waskovic, kein Yannick. Nichts.
    Es ist sinnlos, hier nach ihnen zu suchen. Diese ganze Aktion ist sinnlos. Ich humpele zu meinem Wagen zurück, werfe mich auf den Fahrersitz und dresche auf das Lenkrad ein. »Eins schwöre ich dir, Waskovic!«, schreie ich in den Fahrgastraum. »Ich werde dich in Stücke reißen, dich zerschmettern und zertreten, wenn du meiner Familie auch nur ein Haar krümmst! Ich werde dich scheibchenweise einfrieren, durch den Fleischwolf drehen und im Tierheim verfüttern, ich werde …«
    Wer sagt eigentlich, dass er Markus und Yannick tatsächlich hat? Wie sollte er sie so schnell in seine Gewalt gebracht haben – über Nacht, sozusagen, denn mehr Zeit hat er ja nicht gehabt? Und warum sollte er ein solches Risiko eingehen? Die

Weitere Kostenlose Bücher