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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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Gelände herum, entdecke allerdings keine geeignete Stelle, um eine Leiche zu verstecken. Ich kehre um und gehe zurück zur Grillhütte am Anfang des Wegs, der zum Basaltkrater abzweigt. Hier gibt es eine große Feuerstelle, doch für eine Feuerbestattung müsste ich vermutlich die komplette Hütte abfackeln, die zudem nass ist. Außerdem wäre ein Brand in dieser exponierten Lage vermutlich selbst in Siegen zu sehen. Ganz zu schweigen davon, dass ich von Bränden vorerst genug habe.
    Ich weiß nicht weiter und sinke auf eine Bank in der offenen Hütte. Mein Blick schweift über die zahllosen Hügelketten, die dahinjagenden Wolken, den nicht enden wollenden Himmel. Tief durchatmen. Entspannen. Einen Moment abschalten.
    Das wäre mir tatsächlich beinahe gelungen, hätte sich zwischen mich und das Om nicht der tote Müller geschoben. Bald wird es dunkel, und ich werde im Mondeo übernachten müssen – es wäre nicht das erste Mal und schreckt mich eigentlich nicht, allerdings habe ich meinen Schlafplatz nie zuvor mit einer Leiche geteilt. Und ich habe nicht vor, das jemals zu tun. Dann lieber Knast.
    Also weiter. Ich raffe mich auf und folge dem Feldweg mit dem Panoramablick noch ein Stück, um bei nächster Gelegenheit abzubiegen, zurück in Richtung Wald.
    Und schließlich finde ich ihn, den Platz, an dem Müller gut aufgehoben ist. Wenn ich erst rehabilitiert bin, werde ich ihm ein würdiges Begräbnis in geweihter Erde nicht vorenthalten, sage ich mir, fürs Erste ist die Stelle jedoch genau richtig: Hier, in der Abgeschiedenheit, zwischen Waldrand und Feldern, hat ein gesamter Reitstall seine Hinterlassenschaften entsorgt. Vor mir türmt sich ein riesiger Haufen Mist auf – oder vielmehr eine Gebirgskette aus Misthaufen.
    Pferdemist trocknet krümelig und locker, ich erinnere mich, wie meine Oma ihn früher in ihre Rosenbeete eingearbeitet hat. Hier werde ich gut graben können, und der Mistgeruch wird später hoffentlich neugierige Hundenasen ablenken. Nach Anbruch der Dunkelheit werde ich meinen Spaten holen.
    Natürlich habe ich Skrupel, aber ein Typ, der sich auf heimliche Geschäfte mit Waskovic einlässt, kann nicht erwarten, auf Rosen gebettet zu werden, während Himmelschöre jubilieren, rede ich mir ein. Ich wandere entlang des Waldrands zu meinem Wagen zurück, den ich auf dem Wanderparkplatz geparkt habe. Einige hohe Laubbäume und ein Grüppchen dicht beieinander stehender, halbhoher Nadelbäume trennen ihn von der schmalen Zufahrtsstraße, die zu einer Handvoll Häuser führt. Außer meinem parkt nur ein weiterer Wagen dort, ein älterer Audi mit Altenkirchener Kennzeichen. Der Lkw-Anhänger, den jemand hier abgestellt hat, stand schon bei meiner Ankunft da, ebenso wie der alte, offensichtlich nicht mehr fahrtüchtige Trabi mit offener Haube.
    Niemand zu sehen. Soll ich sofort loslegen?, überlege ich. Doch was ist, wenn es dem Bauern einfällt, kurz vor Feierabend noch eine Mistfuhre wegzubringen?
    Also Geduld. Wieder denke ich an Markus und Yannick. Sie machen sich bestimmt Sorgen um mich, ich müsste mich bei ihnen melden. In meinem Rucksack befindet sich ein Handy für den Notfall, das auf Denises ahnungslose Großmutter angemeldet ist – sorry, Oma Gerda! –, trotzdem erscheint es mir ratsam, es nicht für einen Anruf bei meiner Familie zu benutzen. Womöglich interessiert sich die Polizei bald für meine heimische Telefongesprächsliste, und dort sollte die Nummer gar nicht erst auftauchen. Ich seufze tief. Geduld. Wir alle brauchen Geduld.
    Mit Wasser aus der Thermoskanne, Instantpulver und viel Zucker rühre ich mir eine Tasse Kaffee an. Ein guter Darjeeling ist mir nachmittags lieber, aber einen Teebeutel in kaltem, abgestandenem Leitungswasser auszupressen, bringt nichts. Essen muss ich auch langsam mal wieder, also greife ich mir eine Brezel aus der Tüte und denke kauend nach: Wann und wo ist Müller in meinen Kofferraum geraten? Auf dem belebten Parkplatz vor dem Siegburger-ICE-Bahnhof unbemerkt Leichen in Autos zu schmuggeln, halte ich für unmöglich. Die Angelegenheit muss demnach bereits in der Nacht erledigt worden sein, sozusagen vor meiner Haustür, in unserem Hinterhof. Während ich schlief.
    Waskovic hatte folglich sehr schnell gehandelt – oder vielmehr handeln lassen. Und bereits vor der Hotelzimmergeschichte hat er von mir gewusst.
    Offen bleibt, ob er auch zwingend darüber im Bilde gewesen sein muss, dass ich ihm ins Hotel gefolgt bin. Fast alles spricht dafür, wie

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