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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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jenem besagten Abend waren wir zu viert und witzelten über die starke Frequentierung der Wassermassageliege, der wir uns alle nach dem Sport gern hingaben. Alle, bis auf Tom.
    »Magst du das Ding nicht?«, wollte ich wissen.
    »Doch, doch«, meinte er. Aber er brauche für eine Massage nicht Schlange zu stehen, er habe ein solches Gerät zu Hause.
    »Du willst uns verarschen«, sagte Heidi.
    »Cool«, sagte Hans.
    »Kommt mit, ich zeige sie euch!«, forderte Tom uns auf. »Ich wohne nicht weit weg und habe auch noch einen guten Roten zu Hause.« Er nannte uns seine Adresse und machte schon Anstalten, zu gehen. Wir anderen sahen einander an. Tja, warum nicht? Heidi und Hans schienen froh darüber zu sein, ihren Babysitterabend noch eine Weile ausdehnen zu können, und ich hatte nichts weiter vor. Im Gegenteil: Seit dem Anruf von der Bank, bei der wir den Kredit fürs Haus aufgenommen hatten, herrschte mal wieder ziemlich dicke Luft bei uns daheim, und mir war jede Ablenkung recht.
    Da ich mit dem Bus gekommen war, bot Tom mir an, mich in seinem Wagen mitzunehmen und später nach Hause zu fahren.
    »Nobel«, meinte ich, als ich mich auf den cremefarbenen Ledersitz seines fetten, schwarzen, auf Hochglanz polierten Audis sinken ließ, und beamte mich während der Fahrt probehalber ein paarmal vor und zurück und rauf und runter. Wenig später waren wir auch schon da.
    Tom ließ mich aussteigen und stellte den Wagen in die Garage. Hans und Heidi, die hinter uns hergefahren waren, parkten in der Einfahrt und gesellten sich zu uns.
    Toms Haus war ein normales Einfamilienhaus, gediegen und von einem gewissen Wohlstand zeugend, aber keine Prunkvilla. Nichts Besonderes.
    Er ging voraus, um zu öffnen, und ich schaute automatisch auf das Klingelschild. Eine Berufskrankheit – als private Ermittlerin kann ich kein Haus betreten, ohne zu wissen, wer dort wohnt, auch wenn ich es in diesem Fall ja eigentlich wusste. Oder wohl doch nicht wusste, wie sich mittlerweile herausgestellt hat.
    ›T. Müller‹ stand an der Tür. Was habe ich später auf der Suche nach seiner Telefonnummer gedacht? ›Jeder kennt einen Thomas Müller.‹ Eben. Schließlich kenne ich diesen Tom Müller; ich hatte nur keine Ahnung, dass es sich dabei um ein und dieselbe Person handelt. Nie wäre mir die Idee gekommen, mein harmloser Sportsfreund mit dem Allerweltsnamen könnte irgendetwas mit Waskovic zu tun haben.

    Tom machte nicht viel Aufhebens und führte uns direkt in den Keller, einen typischen Einfamilienhauskeller ohne irgendwelche Besonderheiten. Die Besonderheit erwartete uns schließlich hinter einer der Türen: Eine Art Relaxraum mit Sauna, in dessen Mitte das Wellnessmonster prunkte. Tom hatte nicht zu viel versprochen.
    Wir machten ah und oh und wurden aufgefordert, uns zu setzen. Es gab einen kleinen Glastisch mit zwei Korbstühlen in dem Raum, und Tom schaffte von irgendwoher einen dritten heran. Dann ging er den Wein holen, um bald darauf mit einer Flasche Merlot und Gläsern zurückzukommen.
    Wir tranken und erfuhren, dass das Wellnessmonster geleast war. Wir erfuhren zudem, dass Tom es mit dem Rücken hatte, und dass nach dem Stress im Job eine Massage einfach wunderbar sei. Zeit, zum Gerätetest zu schreiten.
    Heidi machte den Anfang, weil ich aufs Klo musste. Hier unten sei die Toilette mit den Farbeimern der letzten Anstreichaktion blockiert, und im Gästeklo funktioniere momentan die Spülung nicht, entschuldigte sich Tom. Typischer Junggesellenhaushalt.
    »Geh einfach oben ins große Bad«, meinte er und beschrieb mir den Weg. So weit, so langweilig.
    Ich ging aufs Klo, wusch mir die Hände und schaute in die Badezimmerschränke. Auch eine Berufskrankheit von mir. Ich nahm ein merkwürdig geformtes Fläschchen mit goldfarbenem Inhalt heraus, ein Herrenparfum mit dem Namen ›Blizzard‹, schraubte den Deckel auf und roch daran. Gar nicht schlecht. Ich verschloss das Fläschchen wieder und stellte es in den Schrank zurück. Es befand sich in Gesellschaft von Kopfschmerztabletten, Rasierschaum, Inhalationsspray und einer Packung Diazepam, im Volksmund besser bekannt als Valium.
    Wozu brauchte der gute Tom Diazepam? Ich öffnete die Schachtel, zog den Blisterstreifen heraus und sah nach, ob er welche genommen hatte. Es fehlten vier. Wer weiß, wie alt die sind, dachte ich und schaute auf das Verfallsdatum: noch ein Jahr haltbar. Das musste nichts heißen, er konnte sie vor Kurzem genommen haben oder bereits vor Jahren, Diazepam hält

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