Wildwasserpolka
diesem Blizzard-Wässerchen, und der Ledersitz war weich und bequem.
Mein Veto ließ eine ganze Weile auf sich warten. »Moment mal!«, meinte ich irgendwann und schob ihn ein Stück von mir. »Ich bin doch verheiratet.«
Nicht der intelligenteste Satz, aber immerhin ein Argument, und dann fiel mir auch wieder ein, dass es keine gute Idee wäre, wenn er mich nach Hause fahren würde.
Ich rappelte mich in die Senkrechte hoch, holte mein Handy aus der Tasche und rief ein Taxi. Obwohl man mir zehn Minuten Wartezeit ankündigte, behauptete ich Tom gegenüber, es würde jede Minute hier sein.
Ich sagte: »Tschüss und vielen Dank für die Einladung«, und stieg aus.
»Johanna?« Er beugte sich über den Beifahrersitz und sah zu mir auf. »Du bist nicht böse, oder?«
»Nein, nein, weshalb denn? Alles bestens«, lallte ich.
»Dann tu mir den Gefallen und hol das Fahrrad ab, okay? Damit ich weiß, dass du nicht sauer bist.«
Ich versprach ihm, es am folgenden Abend abzuholen, und stolperte in die Nacht hinaus.
Ich bin tatsächlich hingefahren. Nicht direkt am nächsten Abend, doch am übernächsten. Vielleicht, weil ich mir beweisen wollte, dass alles harmlos war. Dass es nicht viel zu bereuen gab. Dass ich eigentlich gar nichts angestellt hatte.
Außerdem nahte Yannicks Geburtstag, und ich wollte nicht, dass die Schwiegermutter schon wieder das größte Geschenk anschleppte. Dieses Rad wäre eine tolle und zudem noch kostenneutrale Überraschung.
Tom hatte das Rad bereits aus dem Keller geholt. Er grüßte mich freundlich, aber zurückhaltend, und lud das Fahrrad ohne große Vorreden in meinen Kofferraum.
Als die Arbeit getan war, standen wir einen Moment neben dem Wagen. Nochmals vielen herzlichen Dank und bis nächsten Dienstag, wollte ich sagen, und nichts wie weg. So ungefähr war mein Plan. Tatsächlich hatte ich schon die Fahrertür geöffnet.
»Johanna, du bist mir nicht böse wegen dieser Garagengeschichte, oder?« In Toms Frage lag eine Art verzweifelter Forderung.
»Ach was!«, winkte ich übertrieben lässig ab. »Wir waren beide ziemlich besoffen.« Nicht besonders charmant, aber damit war alles gesagt. Dachte ich. Doch in diesem Moment zog Tom mich an sich und küsste mich auf den Mund. 21, 22 … Ich war total perplex. Endlich reagierte ich und schob ihn von mir.
»Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt«, gestand Tom.
»Nein«, widersprach ich streng. »Das hast du nicht.« Und damit sprang ich in meinen Wagen und flüchtete.
Am darauffolgenden Dienstag tauchte er nicht im Fitnessstudio auf.
»Hey, wo bleibt denn Wasserwellen-Tom?«, fragte Hans, womit er unserem Sportsfreund seinen Spitznamen verpasst hatte. Und lag da nicht die Spur eines anzüglichen Lächelns auf seinem Gesicht?
»Keine Ahnung«, antwortete ich wahrheitsgemäß. Mir war Toms Abwesenheit recht, und ich zerbrach mir auch nicht den Kopf über sein Fehlen. Ich kannte ihn schließlich kaum.
Dass diese alberne Geschichte später eine Tsunamiwelle auslöste, die bereits mit voller Kraft auf mich zurollte, konnte ich ja nicht ahnen. Möglicherweise ahnte Tom etwas: dass er den Bogen überspannt hatte, dass sein Schicksal unweigerlich seinen Lauf nehmen würde. Vielleicht wollte er noch einmal in die Vollen gehen, gerade weil ihm Unheil schwante.
Und ich? Ich weiß, dass sich Waskovic in dem Maße, in dem ich ihn verfolgte, auch für mein Privatleben zu interessieren begann, und dass er aus seinen gewonnenen Informationen konsequent die falschen Schlüsse zog. Fragt sich nur, ob er es irrtümlich oder vorsätzlich tat.
Dieses Video, das er mir geschickt hat …
Eine grobkörnige Nachtaufnahme, aus ein paar Schritten Entfernung durch das offene Garagentor gefilmt: Wasserwellen-Tom und ich im Clinch auf den Lederpolstern seines Audis, vom grellen Neonlicht bühnenreif ausgeleuchtet.
Schnitt.
In der Einfahrt von Toms Haus parkt mein roter Mondeo. Das Datum unten im Bild beweist, dass die Aufnahme nur zwei Tage jünger als die Garagenszene ist. Tom und ich stehen neben dem Wagen und unterhalten uns offensichtlich angeregt. Man hört Stimmen, aber nicht, was gesprochen wird, vorbeifahrende Fahrzeuge, Vogelzwitschern. Plötzlich zieht er mich an sich und küsst mich leidenschaftlich auf den Mund. 21, 22 … Schnitt.
Markus, mein lieber Markus! Die Fotos in dem Umschlag, die dir Waskovic in den Briefkasten gesteckt hat: Ich kann mir lebhaft vorstellen, was darauf zu sehen ist.
Vielleicht war es ein Racheakt wegen der
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