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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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»Kommen sie schon?«, fragte er. Seine Miene verriet nichts.
    Die Älteste Mystikerin war überrascht und sah den Jungen fragend an.
    »Ich höre sie kommen.« Er legte eine Hand auf Iphigenias Arm. »Sei stark.«
    Sie nickte ihm zu und blickte ihm dann nach, als er von einem der Mystiker weggeführt wurde. Trotz des Ernstes der Lage musste sie lächeln. Die Jährlinge erwiesen sich als sehr mächtig, befand sie, und sie zweifelte nicht daran, dass die nächste Generation Mystiker eine ganz außerordentliche würde. Das machte ihr Mut. Sie wartete, bis die Kinder hinter der Baumreihe verschwunden waren, bevor sie sich erneut dem Himmel zuwandte.
    Sie waren hier.
    Unter den hohen Tannen sah sie drei Gestalten aus der Dunkelheit hervortreten. Es waren Menschen: Zwei Männer und eine Frau. Es war klar, dass sie nicht aus Nordwald stammten, die beiden Männer trugen Anzugjacken, während die Frau in ihrer Mitte einen gemusterten Kaftan anhatte.
    »Guten Tag«, grüßte Iphigenia. »Ihr seht aus, als hättet ihr eine weite Reise hinter euch. Wir haben nicht viel anzubieten, aber in der Halle gibt es ein wärmendes Feuer und eine bescheidene Mahlzeit, wenn ihr unsere Gäste sein wollt.«
    »Sei still, Mystikerin«, sagte die Frau. »Wir sind deinetwegen hier.«
    Iphigenia nickte schicksalsergeben. »Ja, ich weiß. Ich habe euch kommen gespürt.« Sie sah der Frau geradewegs in die Augen. »Du musst Darla sein.«
    Die Frau grinste höhnisch und zeigte zwei eindeutig nicht menschliche Eckzähne. »Du und deine Freunde, ihr habt mir bereits ein Mal übel mitgespielt. Ich habe nicht vor, mich noch einmal von meiner Aufgabe abbringen zu lassen.« Die beiden Männer rechts und links der Frau rückten ihre leuchtend roten Krawatten gerade und dehnten ihren Nacken. Dann liefen die drei über die verschneite Lichtung. Iphigenia bedeutete den anderen drei Mystikern, bei ihr zu bleiben. Sie umringten den dicken Stamm des Ratsbaums und stellten sich schützend vor ihn. Die gelben Grashalme zitterten im Wind und schüttelten zarte Schneewölkchen in die Luft.

    »Ihr werdet sie nicht finden, die Kinder«, sagte die Älteste Mystikerin. »Sie sind gut versteckt. Außerhalb eurer Reichweite.«
    »Unterschätz uns nicht«, sagte Darla.
    »Das würde mir nicht einfallen. Ich kenne euresgleichen.«
    Immer näher kamen die Fremden. Ihre Bewegungen waren lautlos und bedacht. Die Mystiker rührten sich nicht.
    »Wer hat euch geschickt?«, fragte Iphigenia, während sie den anderen drei Mystikern mit einer Handbewegung bedeutete, nicht vom Fleck zu weichen.
    »Geht dich nichts an, alte Frau.« Das kam von einem der Männer. Seine Schultern waren hochgezogen und zitterten unter seinem schmucken Dreiteiler.
    »Es ist ja nur so, dass man, wenn man vor seinem Mörder steht, gern wissen möchte, auf wessen Geheiß er handelt«, erklärte Iphigenia. »Ich dachte immer, wenigstens diese Rücksicht erweist ihr – als letzten Wunsch, den ihr einer dem Untergang geweihten Seele gewährt.«
    Einer der Männer lachte, und Darla warf ihm einen finsteren Blick zu. »Genau das Gegenteil ist der Fall«, sagte sie. »Ein echter Attentäter gibt niemals seinen Auftraggeber preis.«
    »Ein ehrenwertes Gewerbe«, sagte Iphigenia mit einem ironischen Lächeln auf ihrem ansonsten unbewegten Gesicht. »Obwohl ich mich doch wundern muss, wie viel Ehre im Kindesmord liegen kann.«
    Darla ignorierte diese Bemerkung. Sie fletschte die Zähne und knurrte. »Deine Zeit ist vorbei, alte Frau. Mach Platz für das neue System.«
    Mit einer schnellen Drehung des Handgelenks gab sie den Männern ein Signal, und plötzlich gingen die drei tief in die Hocke, wie von einem jähen Schmerz übermannt. Ihre Körper bebten und zuckten, und ihre Kleidung wogte eigenartig, als die Verwandlung einsetzte. Iphigenia beobachtete sie ruhig, obwohl sie bemerkte, dass der Anblick den anderen Mystikern Furcht einflößte. Innerhalb von wenigen Sekunden hatten die drei ihre Kleider abgeworfen und die Gestalt von drei pechschwarzen Füchsen angenommen, deren Fell auf dem Rücken steil aufgestellt war.
    Iphigenia aber hob die Hände hoch in die Luft und machte sich bereit für ihr Gebet an das lebendige Grün des Waldes.

    »Bereit?«
    »Bereit. Und du?«
    »Mhm.«
    Ihr vorübergehender Waffenstillstand war vorbei. Prue und Curtis drängelten sich zurück über die Ahornbrücke, was dem Baum ein weiteres Ächzen entrang, und schoben sich wieder vorsichtig über die schmale Kante in der Felswand.

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