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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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schnellte in alle Richtungen, sie begriff nicht, wie und warum das passierte. Über sich sah sie Curtis, seine Lippen bewegten sich, aber sie konnte ihn nicht hören. Er umfasste ihre Schultern und schüttelte sie. Ihr ganzer Körper war erstarrt und kraftlos. Sie war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren, doch immer noch war das Schreien so viel schlimmer als an jenem Tag am Kliff. Und dann, so plötzlich, wie es begonnen hatte, hörte es auf.
    Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie zu Curtis hinauf und griff nach seinem Arm. In der nun eingetretenen Stille war ihre Stimme auf einmal wieder da.
    »Es ist Iphigenia, Curtis«, sagte sie erstickt. »Sie ist … sie ist …« Aber was genau, das wusste Prue nicht.



ZWEITER TEIL

NEUN
    Unadoptierbar
    S ie waren alle Zeugen gewesen. Das war auch eindeutig die Absicht gewesen, denn so würde der Junge den restlichen Kindern als Beispiel dienen. Alles war so schnell passiert und so schnell vorbei gewesen. Hinterher kehrten die anderen in der Fabrikhalle nach außen hin unbewegt an ihren Arbeitsplatz zurück, und das Schnaufen und Klappern der Maschinen ging weiter wie vorher. Sie hatten das ja schon erlebt, oft sogar.
    Der Name des Jungen war Carl. Elsie hatte ein paar Mal im Speisesaal mit ihm gesprochen. Er war ein Jahr älter als sie und ein stämmiger Junge mit lockigen roten Haaren. Er war nett zu ihr gewesen – er hatte die Unerschrockene Tina bemerkt und erzählt, er sei ein Fan der Fernsehserie gewesen, als er noch bei seinen Eltern wohnte, ehe sie bei einem seltsamen Jet-Ski-Unfall ums Leben kamen. Mehr hatte Elsie aber auch nicht mit ihm zu tun gehabt.
    Der Vorfall begann mit einem Wimmern. Einem Wimmern, das man trotz des Lärms in der ganzen Fabrikhalle hören konnte. Es stammte von Carl selbst, der an seinem Platz an einer Maschine stand, die leicht hundert Mal so groß und schwer war wie er. Sie hieß Bügelschraubenbieger, und genau das machte sie auch: Sie bog Bügelschrauben. Offenbar war Carl ins Träumen geraten, denn er hatte den lila Knopf statt des schwarzen gedrückt. Nun stieß Carl dieses wissende Wimmern aus. Der Bügelschraubenbieger bog inzwischen keine Bügelschrauben mehr, sondern verbog sich selbst. Aus dem Inneren der Maschine ertönten zwei laute Knallgeräusche, dann blieb sie rasselnd stehen, und Rauch quoll aus ihren vernieteten Nähten.
    Irgendeine Notfall-Abschaltautomatik musste ausgelöst worden sein, denn sämtliche Maschinen in der Fabrikhalle kamen schlagartig zum Stillstand, und das blasse Neonlicht, das den Raum normalerweise erhellte, wurde von einem dämonischen roten Blinken abgelöst. Alle sahen sich hektisch um, wer wohl die Unterbrechung verursacht hatte. Ihre Blicke blieben schließlich an Carl hängen, der mit schuldbewusster Miene neben dem qualmenden Bügelschraubenbieger stand. Martha, die am Fließband stand, zog ihre Schutzbrille ab und erbleichte. »O nein«, flüsterte sie.
    »Was denn?«, zischte Elsie und entfernte sich einen Schritt von ihrer schweigenden Maschine. Das Zeichen mit der umgedrehten Eiswaffel darauf blitzte wütend. Das war das erste Mal, dass es überhaupt etwas machte.
    »Er hat schon zwei«, sagte Martha.
    »Zwei was?«, fragte Elsie, aber im gleichen Moment hatte sie schon begriffen. »Strafpunkte?«
    Martha nickte.
    Schlagartig flutete Licht in den Raum, und die Maschinen stimmten ein merkwürdiges Summen an. Schritte donnerten die Treppe hinunter in die Fabrikhalle. Es war Mr. Unthank, der offenbar den Strom wieder angeschaltet hatte. Ein finsterer Ausdruck lag auf seinem bärtigen Gesicht, und es sah aus, als wäre er beim Mittagessen gestört worden: Ein schmaler roter Streifen, anscheinend Tomatensuppe, bildete eine Art zweiten Schnauzer auf seiner Oberlippe.
    »Was war das denn?«, blaffte er. Niemand antwortete. Er marschierte zu dem offensichtlichen Übeltäter, Carl und seiner Maschine, und sah ihn böse an.
    »Was hast du getan, Junge?«
    »Es tut mir wirklich leid, Mr. Unthank. Das war keine Absicht. Ich hab nur …« An dieser Stelle schluckte er so laut, dass Elsie das Gulp! quer durch den Raum hörte. »Ich hab nur den lila Knopf gedrückt statt den schwarzen.«
    »Lila«, wiederholte Unthank, als müsste er die Worte laut aussprechen, um sie zu verstehen. »Schwarz.«
    »Mhm.«
    Unthank rieb sich nachdenklich das Bärtchen. Als seine Finger auf den Tomatensuppenrest trafen, zuckten sie zurück, und er inspizierte sie eingehend, ehe er sie ableckte und an seinem

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