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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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ist komisch«, meinte Martha.
    »Ihr macht euch was vor, wenn ihr denkt, es wäre anders«, sagte Rachel. »Glaubt ihr etwa, Mr. Unthank hat eine Zauberrutsche in seinem Büro, und da schubst er sie einfach runter und – puff! – sind sie wieder draußen in der Welt?«
    »Na ja«, sagte Elsie. »Was auch immer, wir haben nur noch eine Woche hier, stimmt’s? Also sollten wir einfach versuchen, keine Strafpunkte zu kriegen.«
    Rachel schwang sich wieder aufs Bett zurück. »Ich hab schon einen. Ich stehe auf der Abschussliste. Mir könnte jeden Moment dasselbe passieren wie diesem Carl.« Sie erschauerte sichtlich, ihre Stimme war leise und ernst geworden.
    »Ach komm, Rachel«, sagte Elsie. »Kopf hoch. Wir müssen wirklich nicht mehr lange bleiben.«
    »Ja«, meinte Martha. »Ihr könnt von Glück reden.«
    Die drei Mädchen verstummten. Schließlich sagte Rachel: »Ich geh da rein.«
    »Was?«, fragten Elsie und Martha wie aus einem Mund.
    »In Unthanks Büro. Ich werde diesen Carl – oder was von ihm übrig ist – finden und aufdecken, was das hier für ein gestörtes Heim ist.«
    »Rachel!« Elsies Stimme war nur mehr ein bebendes Flüstern. »Du – du wirst einen Strafpunkt kriegen!«
    »Oder zwei. Oder fünf«, stimmte Martha zu. Dann, eher zu sich selbst: »Was wohl passiert, wenn man mehr Strafpunkte bekommt, als man braucht, um unadoptierbar zu werden?«
    Rachel beachtete die beiden nicht. Sie sprang vom Bett, kniete sich neben das von Elsie und winkte Martha näher heran. »Ich mache es. Während ihr tief und fest geschlafen habt, habe ich ausgekundschaftet. Vorgestern musste ich aufs Klo, und auf dem Rückweg ist mir aufgefallen, dass niemand an der Tür stand. Miss Talbot hat nämlich um Mitternacht Schichtwechsel, und es dauert ungefähr eine Viertelstunde, bis die Ablösung kommt. Ich hab es bis zum Büro geschafft, aber dann war es mir zu unheimlich und ich bin zurückgegangen.«
    »Aber ist es denn nicht abgeschlossen?«, fragte Elsie.
    Rachel lächelte wissend, griff hinter sich und zog einen kleinen Messingschlüssel an einem gelben Band unter ihrem Kissen hervor. Schelmisch ließ sie ihn vor den beiden Mädchen pendeln.
    Martha schnappte nach Luft. »Wo hast du den her?«
    »Hausmeisterschrank. Kleiner Abstecher auf dem Rückweg in den Schlafsaal. Konnte ich mir nicht verkneifen: Miss Talbot hat ihn offen gelassen, und es hingen Ersatzschlüssel zu allen Zimmern darin. Über diesem stand: › J . U. Büro‹.«
    »Wow«, sagte Martha.
    Elsie war nicht so beeindruckt. »Du hast ihn gestohlen, Rachel.« Sie wirkte verstört. »Stehlen darf man nicht.«
    »Ich hab ihn mir nur geliehen.«
    »Trotzdem.«
    »Wann willst du gehen?«, fragte Martha.
    »Heute Nacht.« Rachel machte eine Faust um den Schlüssel. Dann warf sie einen schnellen Blick auf den Lautsprecher über der Tür. »Später«, raunte sie. »Wenn Miss Talbot Schichtwechsel hat.«
    Inzwischen war Martha aus ihrem Bett gestiegen und kniete auf Elsies, weit vorgebeugt, um Rachels Plan zu hören. »Ich will auch mit«, sagte sie.
    Fassungslos starrte Elsie sie an. »Ihr spinnt doch. Das ist verrückt! Ihr kriegt Strafpunkte! Rachel, du handelst dir noch einen zweiten ein!«
    Mit einer hochgezogenen Augenbraue wandte Rachel sich an Martha.
    »Ich hab eine weiße Weste«, erwiderte das Mädchen. »Keine Strafpunkte. Ich bin schon wie lange hier, fünf Jahre? Immer ein braves Mädchen. Ehrlich gesagt habe ich es satt. Ich bin bereit, was anzustellen.«
    Rachel streckte die Hand aus, und Martha schüttelte sie entschlossen.
    »Also heute Nacht«, sagte Rachel.
    »O nein«, sagte Elsie.

    Martha Songs erster Gang in den Schlafsaal des Unthank-Heims für ungeratene Kinder fünf Jahre zuvor fiel ihr in dem Moment schlagartig wieder ein, als sie und Rachel Mehlberg sich in den dunklen Korridor schlichen und leise zum verschlossenen Büro tapsten. Es war seltsam. Seitdem war sie so oft durch diesen Flur gegangen und hatte nie solche Erinnerungen gehabt. Aber nun konnte sie die schwielige Hand ihres Vaters in ihrer eigenen spüren, die Zitrusblüten des Parfüms ihrer Mutter riechen. Sie würden nach Korea zurückgeschickt, hatten sie ihr erklärt. Sie kämen sie bald holen.
    Vielleicht sah sie wegen ihrer Versunkenheit in die Vergangenheit nicht, dass Rachel plötzlich stehen geblieben war, und prallte von hinten gegen sie, und zwar fest. Oder vielleicht lag es auch daran, dass sie ihre Schutzbrille trug.
    »Hey«, flüsterte Rachel wütend.

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