Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Stimme noch einmal durch das Holz der Tür. »Der Herr will sich einfach nicht abwimmeln lassen.«
»Ist er Anwalt?«, fragte Unthank seufzend. Er hatte reichlich Erfahrung mit zwielichtigen Anwälten, die ihn wegen seiner gewissenlosen und etwas fahrlässigen Geschäftspraktiken belagerten, doch das hatte sich immer mit einem Scheck oder einem Anruf bei einem Senator regeln lassen.
»Ich weiß es nicht, Sir«, sagte Miss Talbot.
»Sie wissen es nicht?«
Wieder eine Pause. »Er ist … Also, er hat etwas ziemlich Seltsames an sich. Etwas, das ich nicht richtig einordnen kann.« Unthank starrte auf seine Hände und presste die Fingerspitzen auf der Schreibtischplatte zusammen. Was hatten diese Mehlberg-Mädchen gesagt? Dass ihre Eltern bald zurückkommen würden? Es hatte seltene Fälle gegeben, in denen Eltern ihre Kinder abholen wollten, und das war jedes Mal eine haarige Angelegenheit gewesen. Doch seiner Erfahrung nach konnte man, wenn man den richtigen Ton anschlug, auch Eltern mit schlechtem Gewissen, die ihr Kind vorsätzlich zur Waisen gemacht hatten, leicht beschwichtigen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und versuchte, eine gelassene Haltung an den Tag zu legen. »Na gut«, sagte er. »Bringen Sie ihn rein.«
Einige Minuten verstrichen. Dann öffnete sich knarrend die Tür und Miss Talbot schlurfte ins Zimmer. Hinter ihr folgte ein großer dünner Mann in einem eleganten Anzug, der Joffrey vorkam, als wäre er mindestens seit einem Jahrhundert aus der Mode. Sein Haar war ordentlich mit Pomade aus der Stirn gestrichen, und er trug einen kurz geschnittenen Bart. Auf seiner Nase klemmte etwas, das einer Brille ähnelte.
»Ist das …« Joffrey suchte nach dem richtigen Wort. »Ein Kneifer?«
Der Mann ignorierte ihn und schritt selbstsicher ins Zimmer. Er trug eine Lederaktentasche unter dem Arm und schien von einer Aura umgeben, die Joffrey später nur als »nicht von dieser Welt« beschreiben konnte, als würde man jedes Mal, wenn man ihn ansah, eben erst aus einem sehr seltsamen und wundervollen Traum erwachen. Joffrey saß noch ein Weilchen steif da und bestaunte den Mann, ehe er sich an seinen Entschluss erinnerte.
»Geschätzter Herr«, begann Unthank, bevor der dünne Mann Gelegenheit hatte, etwas zu sagen. »Ich verstehe, dass Sie unglücklich sind mit Ihrer Entscheidung, sich – wie soll ich es ausdrücken – von Ihrem Kind oder Ihren Kindern zu trennen , aber ich kann Ihnen versichern, dass …«
Der Mann unterbrach ihn. »Sind Sie Joffrey Unthank, Hersteller von Maschinenteilen?«
»Ja«, sagte Joffrey nach einem fragenden Blick zu Miss Talbot. Sie hatte offenbar beschlossen, dass ihre Pflicht erfüllt war, denn sie wandte sich prompt ab, verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Der dünne Mann wartete, bis sie gegangen war, ehe er fortfuhr.
»Ich würde gern einen Gegenstand in Auftrag geben«, sagte der Mann.
»Einen … was?«, fragte Unthank verwirrt.
»Einen Gegenstand. Ein Maschinenteil. Ich hörte, das sei ihr Fachgebiet?«
»Äh, ja. Aber warten Sie einen Moment. Wer sind Sie? Wie heißen Sie?«
»Mein Name tut nichts zur Sache«, sagte der Mann.
Unthank brachte ein schiefes Lächeln zustande. »Das mag Ihre Ansicht sein, aber ich weiß gern, mit wem ich Geschäfte mache.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und wartete auf eine Antwort.
»Also gut«, sagte der dünne Mann nach kurzem Zögern, »wenn Sie darauf bestehen. Ich heiße Roger. Roger Swindon. Und ich möchte ein Maschinenteil anfertigen lassen.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Roger«, sagte Unthank.
»Darf ich mich setzen?«, fragte Roger.
»Natürlich, Mr. Swindon. Nehmen Sie Platz.« Joffrey wies auf einen der Ledersessel vor dem Schreibtisch.
Roger stellte seine Aktentasche ab und warf seine Frackschöße nach hinten, ehe er sich vorn auf die Kante des Ledersessels setzte. Dann hob er die Tasche wieder auf und legte sie sich auf den Schoß. Unthank betrachtete noch immer seinen Anzug.
»Das ist eine ausgefallene Aufmachung«, sagte Joffrey. »Gehen Sie zu einer Kostümparty?«
Diese Bemerkung wurde ignoriert. »Es hängt sehr viel von der Herstellung dieses Gegenstands ab, und ich würde es zu schätzen wissen, wenn sie schnell und mit größter Sorgfalt erledigt würde.« Swindon fing an, die Schnallen der Aktentasche eine nach der anderen zu öffnen. »Ich habe den Entwurf beschafft, keine Kleinigkeit übrigens, deswegen sollte sich der ganze Prozess ziemlich einfach
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