Wildwood
zur Eile an. Bald darauf überquerten sie die Hohe Brücke, wobei keiner außer Curtis auch nur
einen flüchtigen Blick in die tiefe und bodenlose Dunkelheit der Schlucht warf. Kaum auf der anderen Seite angekommen, verließen sie rasch das offene Gelände der breiten Straße und schlüpften in das Dickicht des Waldes.
Septimus ritt auf Curtis’ Schulter und duckte sich immer wieder unter tief hängenden Zweigen hindurch. »Wie lautet der Plan, was meinst du?«, flüsterte er Curtis ins Ohr.
Curtis bekam kaum Luft, und schon gar nicht genug zum Sprechen, so schnell waren die Räuber unterwegs. Sie flitzten auf Wegen dahin, die Curtis nicht einmal sehen konnte, die wie mit unsichtbarer Tinte auf den Waldboden gezeichnet waren. »Keine Ahnung«, zischte er zurück. »Ich glaub, wir stellen eine Armee auf.«
Septimus pfiff durch die Zähne. »Ich weiß ja nicht, Kleiner. Klingt gefährlich. Zufällig ist mir bekannt, dass das Heer dieser Gouverneurin ziemlich riesig ist. Sie hat Rekruten im ganz großen Stil angeworben. Und woher ich das hab? Ich fresse ihren Müll. Und sie machen eine Menge Müll.«
»Okay.« Curtis konzentrierte sich voll und ganz auf die Silhouette von Angus, der weit vorne durch das Gebüsch hechtete.
»Was ich damit sagen will: Es ist hoffnungslos. Ich weiß nicht, wie viele Räuber es gibt, aber ich bezweifle, dass es genug sind. Das wird keine schöne Sache.«
»Danke, Septimus«, keuchte Curtis. »Danke, dass du dich mir anvertraust. Aber wenn du schon auf meiner Schulter sitzen musst,
dann könntest du solche Gedanken wenigstens für dich behalten.«
Septimus schnaufte eingeschnappt. »Wie du meinst. Aber sag hinterher bloß nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.«
Die Räuber blieben unvermittelt stehen, als sie auf einer kleinen Lichtung ankamen. Brendan stellte sich in die Mitte und suchte die Baumwipfel ab. »Seltsam«, sagte er gerade, als Curtis sie einholte. »Kein Späher. Wo ist nur der blöde Späher?«
Curtis folgte Brendans Blick. Er sah nichts als dichtes grünes Eichenlaub und die Zweige, an denen es wuchs. Es herrschte eine Stille, die nur vom schwachen Rauschen der Farnwedel gestört wurde.
»Los, weiter«, befahl Brendan sichtlich besorgt und humpelte los. Trotz seines schiefen Gangs war er mindestens genauso schnell wie die anderen Räuber. Kurz darauf folgte ihm die Gruppe um den Hang eines kleinen Hügels herum, der die Mündung einer nicht besonders tiefen Schlucht verdeckte. Diese Senke verwandelte sich schon bald in ein kleines Tal mit einem Bach. Etwas weiter vorne sah Curtis durch das Unterholz, dass der Waldboden in einer riesigen natürlichen Sackgasse mündete. Das Farnkraut lichtete sich, und ein ganzes Lager aus kleinen Hütten, einfachen Verschlägen und glimmenden Feuerstellen kam in Sicht, das von einer kleinen Anzahl umherlaufender Menschen bevölkert wurde. Sobald die Flüchtlinge auf der Lichtung auftauchten, waren alle in heller Aufregung: Ein paar Kinder, die emsig mit Murmeln gespielt hatten, kamen angerannt;
Männer ließen ihren Stapel Feuerholz fallen und brüllten vor Freude; Frauen erschienen aus dem Inneren ihrer Behausungen, überglücklich, Brendan und seine Kameraden zu sehen. Man umarmte sich, man schüttelte sich kräftig die Hände. Wiedervereinte Männer und Frauen küssten einander innig, sehnsüchtig. Nur Brendan stand etwas abseits und betrachtete das Lager.
»Wo sind alle?«, fragte er schließlich. »Warum sind wir so wenige?«
Da trat ein junger Mann in einem ausgefransten weißen Hemd vor. Tiefer Kummer zeichnete sich auf seiner Miene ab. »Es tut uns leid, König. Wir haben in deiner Abwesenheit unser Bestes getan.«
»Was ist passiert?«
»Gestern Abend. Die Wachposten haben Hundesoldaten innerhalb der Schutzzone geschnappt. Wir haben eine Truppe losgeschickt. Aber nur Devon ist zurückgekommen.«
Devon humpelte mühsam heran, sein Arm war geschient und er stützte sich auf eine Krücke, die aus einem Ast gefertigt war. Die überschwängliche Stimmung des Wiedersehens war verflogen, eine düstere Wolke überschattete das Lager nun. Devon nickte einmal. »Mein König«, sagte er.
Brendan sah ihn mit leerem Blick an.
»Mein König«, fuhr Devon fort, »der äußere Wachposten hat sie entdeckt, nur ein paar Hunde kurz vor der Grenze. Also sind wir raus, um ihnen eine kleine Kostprobe zu geben. Beim Farnfeld,
unten am alten Bachbett, biegen wir um die Ecke und laufen der ganzen Armee in die Arme.« An dieser Stelle
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