Wildwood
ein besonders dichtes Gestrüpp auf etwas gelangte, das wie eine breite unbefestigte Straße aussah. Hier auf dem ebenen Untergrund erhöhten die Kojoten ihr Tempo. Curtis blickte seitlich nach vorn. Sie näherten sich einer großen Holzbrücke und überquerten diese mit halsbrecherischer Geschwindigkeit. Als er durch das Geländer einen Blick über den Brückenrand erhaschte, entfuhr Curtis ein leiser Aufschrei: Unter ihnen gähnte ein gewaltiger Abgrund, in dessen Tiefe nichts als Schwärze lag. So schnell sie die Brücke erreicht hatten, waren sie auch schon auf der anderen Seite, verließen die Straße wieder und rannten zwischen Bäumen hindurch. Curtis reckte sich, um noch einen Blick nach hinten auf die furchterregende Schlucht zu werfen, doch die hohen Tannen verschluckten die Landschaft, und er wandte sich wieder dem Waldboden zu.
Er konnte nicht genau sagen, wie lange sie unterwegs waren, aber der Nachmittag neigte sich bereits dem Ende zu, als das Rudel schließlich auf einer großen Lichtung ankam. In der Mitte befand sich ein kleiner, von Efeu, losen Ästen und Zweigen bedeckter Hügel, in dem ein großes Loch klaffte. Ohne ein Wort darüber zu verlieren, drängte sich der Trupp durch dieses Loch und folgte einem langen, dunklen Gang ins Erdinnere. Efeuranken und Baumwurzelnstützten das Dach des nach unten führenden Tunnels, und hier und dort verströmten brennende Fackeln an den Wänden ein trübes Licht. Überall lag der unverkennbare Geruch von nassem Hund in der Luft, wobei Curtis glaubte, außerdem noch etwas wie warmes Essen und Schießpulver zu erschnuppern. Endlich mündete der Gang in ein riesiges Gewölbe, in dem reger Betrieb herrschte. Curtis war im Bau der Kojoten.
Eine Gruppe von Soldaten stand inmitten des Raums in einer engen Phalanx und wurde von einem bedrohlich wirkenden Feldwebel gedrillt. Über einem prasselnden Feuer hing ein schwarzer Eisenkessel, in dem mit Schürzen bekleidete Kojoten das Essen kochten, während daneben eine Schlange hungriger Soldaten mit Zinntellern in den Pfoten geduldig wartete. Ein einfacher Steinkamin beförderte den Rauch des Feuers hoch in den Mittelstamm eines gigantischen Baums, dessen Wurzeln die tragende Struktur des Gewölbes bildeten. Die gewundenen Enden dieser Wurzeln wiederum umrahmten die Eingänge zu den unzähligen Höhlen und Tunneln, die von dieser Haupthalle abgingen. An den Wänden standen Holzregale, auf denen ein umfangreiches Waffenarsenal lagerte: Gewehre, Hellebarden, Säbel. In einer Ecke lagen aufgerissene Kisten, aus denen Stroh herausquoll, und ein kleiner Trupp Soldaten war damit beschäftigt, den Inhalt zu inspizieren: uralt aussehende Musketen wurden begutachtet, Schießpulversäcke entladen und in einem Hohlraum sicher verstaut.
Eine Reihe von Fahnenstangen mit ausgefransten Flaggen führte zu einer großen runden Tür im hinteren Teil des Raums, die aus einer einzigen breiten Scheibe eines riesigen Zedernbaumstamms gefertigt war. Davor hielten zwei Kojoten mit Gewehren Wache. Zu ebendieser Tür wurde Curtis nun geschleift, nachdem der Kommandant seine Handfesseln mit einem schnellen Schwertschlag durchtrennt hatte.
»Haltet ihn fest«, befahl er, ehe er vortrat und mit den beiden Wachen sprach. Zwei der Kojoten hievten Curtis auf die Füße und umklammerten seine Arme mit ihren feuchten Pfoten. Einer der Wachposten nickte dem Kommandanten zu, wuchtete die Tür auf und verschwand. Kurz darauf kehrte er zurück und bedeutete dem Kommandanten und seinem Gefangenen einzutreten. Curtis bekam einen Schubs und stolperte über die Schwelle.
Der Raum dahinter war nur sehr schwach beleuchtet; die einzigen sichtbaren Lichtquellen waren ein paar flackernde Feuerschalen und mehrere in das Erdreich gegrabene Löcher, die bis zur Oberfläche hinaufreichten. Dunkle, knorrige Wurzeln schlängelten sich über die Wände und die Decke; über ihren Köpfen baumelten die weißen Ranken von Pflanzenwurzeln, und es roch deutlich nach Zwiebeln. Ganz hinten im Raum stand ein mit langen Efeuranken und weichen Mooskissen verziertes Podest, auf dessen Mitte ein Stuhl thronte, wie Curtis noch nie zuvor einen gesehen hatte: Er schien aus einem einzigen, dicken Baumstamm gefertigt worden zu
sein und sah dabei aus, als wäre er geradewegs aus der Erde gewachsen. Die Armlehnen umschlangen den gepolsterten Sitz und wurden von geschnitzten Klauen abgeschlossen; die Beine mündeten unten in Kojotenpfoten. Die Rückenlehne ragte hoch auf, und die
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