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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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meinte«, sagte der Vogel, stellte sich auf die Krallen und schüttelte die Flügel aus, »du könntest geflogen werden.«
    »Geflogen werden?« Prue dämmerte langsam, was dem Vogel vorschwebte.

    »Du wiegst doch sicher so gut wie nichts.« Er musterte sie forschend von oben bis unten. »Zumindest für einen Steinadler. Wenn wir dich nur irgendwie ins Fürstentum kriegen; da gibt es massenweise Vögel, die dich tragen könnten.«
    Trotz ihrer düsteren Lage konnte Prue sich für diesen Vorschlag begeistern. »Okay«, sagte sie. »Das klingt ganz gut. Aber wie komme ich da hin?«
    »Wir müssten dich irgendwie zur Grenze schmuggeln.« Inzwischen waren die Lebensgeister des Vogels wieder voll erwacht. »Zu Fuß ist es zu weit, und auf der Straße wimmelt es nur so von Geheimpolizisten – nein, wir müssten ein Fahrzeug finden, eines, in dem wir dich verstecken können. Das ist die einzige Möglichkeit.«
    Prue schnippte mit den Fingern und unterbrach die Überlegungen des Vogels. »Ich hab’s«, sagte sie.

    In einem anderen Teil des Waldes, tief im Inneren der Erde, war das Echo eines eben solchen Fingerschnippens gerade in den Mauern einer geräumigen Höhle verhallt. Curtis starrte Alexandra verständnislos an; Mac gluckste leise in seiner Wiege. In weiter Ferne schmetterte eine Blaskapelle und untermalte diesen stillen, angespannten Moment mit skurriler Hintergrundmusik.
    Curtis schluckte heftig und laut.
    Alexandra hatte inzwischen die Arme verschränkt und klopfte
mit dem Ring eines Fingers gegen den Zinnreif, der ihren Oberarm schmückte. Das hohle Klingeln hallte im Raum nach.
    Kling .
    »Also, ich …«, begann Curtis.
    Kling .
    Er trat von einem Fuß auf den anderen. Plötzlich spürte er überdeutlich, wie steif seine Uniform war; der grobe Wollstoff scheuerte auf seinen Schultern. Sein rechter Zeh bohrte sich ein wenig zu tief ins Leder seiner Stiefel. Ihm wurde immer heißer, und kleine Schweißperlen bildeten sich an seinem Haaransatz. »Ich glaube, dass …«
    Kling .
    »Bist du für mich, Curtis?«, fragte Alexandra schließlich. »Oder gegen mich? Es gibt nur entweder – oder.«
    Curtis kicherte verlegen. »Das ist mir schon klar, Alexandra, ich bin nur …«
    »Die Entscheidung ist leicht, Curtis.«
    Curtis wartete darauf, dass ein weiteres Kling in der Stille des Raumes erschallte. Doch es erschallte nicht – Alexandras Finger schwebte über dem Armreif –, und so gab er seine Antwort.
    »Nein.«
    »Wie war das?«
    Curtis straffte seinen Rücken und sah Alexandra direkt in die Augen. »Ich sagte Nein.«

    »Nein was?« Die Gouverneurin zog finster die Augenbrauen zusammen. »Du wirst nicht nach Hause gehen? Du wirst dich mir anschließen?«
    »Nein, das werde ich nicht. Ich werde mich Ihnen nicht anschließen.« Zu Anfang war sein Mund vor Schreck wie ausgetrocknet gewesen, doch nun kehrte langsam der Speichel zurück, und das Sprechen wurde immer einfacher. »Auf keinen Fall.« Er deutete hinter sich auf das Baby in der Wiege. »Das ist nicht richtig, Alexandra. Mir ist egal, wer Ihnen was angetan hat, aber ich kann nicht einfach zusehen, wie Sie diesen kleinen Jungen opfern , nur für Ihre schäbige Rache. Nein, nein, nein. Vielleicht könnten Sie ja was anderes benutzen; ein Eichhörnchen oder ein Schwein oder so was, vielleicht merkt dieser Efeu den Unterschied gar nicht. Wie auch immer. Ich weiß nur, dass ich hier fertig bin, vielen Dank, und deshalb hole ich jetzt meine Sachen und gehe, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    Während dieser kleinen Rede war die Gouverneurin merkwürdig ruhig geblieben, und so versuchte Curtis, die unbehagliche Stille durch noch mehr Reden zu füllen. »Sie können die Uniform zurückhaben, den Säbel auch. Es gibt sicher einen Kojoten oder sonst jemanden, dem sie passen wird, und ich weiß ja, dass Sie nicht genug Ausrüstung haben, also keine Widerrede – das Zeug bleibt auf alle Fälle hier. Obwohl ich nicht weiß, wo eigentlich meine eigenen Sachen abgeblieben sind; könnte sie irgendwer für mich suchen?«

    Die Gouverneurin musterte Curtis immer noch wortlos, während er an seiner Uniform herumnestelte.
    »Oder egal. Ich brauche meine Sachen gar nicht unbedingt. Da wäre allerdings noch eines«, fuhr Curtis fort. »Das Baby nehme ich mit. Mac muss mit mir kommen. Das bin ich Prue schuldig.«
    An dieser Stelle brach die Gouverneurin ihr Schweigen. »Das kann ich nicht zulassen, Curtis.«
    Curtis seufzte. »Bitte?«
    »Wachen!«, rief Alexandra mit einer

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