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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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geschlagen hättet, wenn sie nicht schneller gewesen wäre. Euer eigenes Land habt ihr ja schon fast zerstört und beinahe zugrunde gerichtet, indem ihr eure Flüsse vergiftet und eure Landschaft zubetoniert habt und so weiter.« Sein Käfig hing etwas tiefer und leicht rechts von Curtis; jetzt rückte er näher an die Gitterstäbe und funkelte Curtis finster an. Er trug ein schmutziges kariertes Halstuch und ein weites Leinenhemd. Auf dem Kopf saß
eine speckige Melone. »Ich wette darauf, dass du gedacht hast, der Wald hier gehört dir allein. Tja, ich schätze mal, er wird dich einfach fertigmachen und wieder ausspucken – wenn du nicht vorher hier drin verfaulst.«
    Curtis erschauerte, setzte sich auf den Käfigboden und zog die Knie ganz dicht an die Brust. Er spürte die brennenden Blicke sämtlicher Gefangener. Jetzt wünschte er sich mehr als je zuvor, er könnte nach Hause zu seiner Mutter und seinem Vater und seinen beiden nervigen Schwestern. Die Seile knarrten und quietschten, und die Käfige schaukelten in der großen Höhle sanft vor und zurück. Dmitri, der Kojote, sagte mitfühlend: »Gewöhn dich dran. Die geben nie Ruhe.«

    Nach kurzer Zeit schon hatten Prue und Enver das Postamt erreicht, ein kleines rotes Backsteinhaus, das sich in ein dichtes Schierlingsgebüsch schmiegte. Ein baufälliger grauer Zaun lief hinten um das Gebäude herum, und Prue konnte einige klapprige rote Lieferwagen im Hof sehen, als sie die Stufen zur Tür erklomm. Über dem Eingang war ein flaches Messingschild angebracht, in das die Worte POSTAMT VON SÜDWALD eingraviert waren.
    Aus einem der Fenster fiel Licht, und dahinter war ein vollgestopfter Raum zu erkennen, in dem sich braune Päckchen und Umschläge bis zur Decke stapelten; halb versteckt hinter den Bergen von Post machte Prue Richards Gestalt aus.

    »Augen zu und durch«, flüsterte sie Enver zu, der ganz in der Nähe auf einem Zweig saß und nervös Wache über die verlassene, dunkle Straße hielt.
    Leise schlug Prue mit den Fingerknöcheln an die Holztür. Nach einer kurzen Pause klopfte sie erneut.
    »Wir haben geschlossen!«, hörte sie Richards Stimme. »Kommen Sie bitte zu den Geschäftszeiten wieder!«
    Prue legte die Hände trichterförmig auf die Tür und flüsterte hindurch: »Richard! Ich bin es, Prue!«
    »Was?« Seine Stimme war so laut und ungeduldig, dass sie die Scharniere der Tür zum Rattern brachte.
    Enver zwitscherte ängstlich.
    »Hier ist Prue. Sie wissen schon, Portland-Prue! «
    Kurz darauf vernahm sie langsame Schritte und das dumpfe Scheppern eines Riegels. Die Tür wurde einen Spalt aufgezogen, und in der Öffnung tauchte Richard mit verschlafenen Augen und völlig zerzausten Haaren auf.
    »Prue!«, brüllte er, ohne sich groß um Prues gedämpftes Auftreten zu kümmern. »Was zum Henker machst du denn hier?«
    Enver zwitscherte erneut warnend, jetzt schon etwas lauter, und Prue legte rasch den Finger auf die Lippen. »Pst!«, zischte sie. »Sie müssen leise sein!«
    Erstaunt schielte Richard zu der kleinen Singammer auf dem Baum und dann zurück zu Prue. Im Flüsterton sagte er: »Und du
hast einen Vogel dabei – weißt du, die Bullen waren hier, vor weniger als zwei Stunden, und haben nach dir gesucht. Ich weiß gar nicht, was los ist!«
    »Ich brauche Ihre Hilfe.« Prue zögerte kurz, ehe sie sagte: »Das Ganze ist viel zu kompliziert, um es hier auf der Veranda zu erklären – darf ich reinkommen?«
    Richard überlegte einen Moment. »Na gut. Aber pass auf, dass dich niemand sieht. Das verstößt gegen die Vorschriften.«
    »Genau!«, stimmte Prue zu. Sie drehte sich um und pfiff nach Enver, der von seinem Ast herunterflog. Hastig holte Richard die zwei ins Haus und warf einen Blick in beide Richtungen der Straße, dann schloss er sorgfältig die Tür und schob den Riegel vor.
    Eine Zwischenwand mit Fenster teilte den Raum in zwei Bereiche auf, den öffentlichen des Postamts und den privaten. Richard führte Prue und Enver in das Hinterzimmer. Darin türmten sich die Pakete und schufen ein Labyrinth aus Mini-Straßen, durch das sich Prue behutsam hindurchschlängelte, während die Wolkenkratzer aus Karton und Packpapier bei jedem Schritt erbebten. In einer Ecke des Raums glimmte ein Kohlefeuer in einem kleinen Kamin.
    Richard räusperte sich verlegen und versuchte, etwas aufzuräumen. »Irgendwo muss hier noch ein Stuhl sein«, murmelte er und suchte zwischen den Stapeln herum. Da er nicht fündig wurde, zog er ein paar leere

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