WILDWORLD - Die Nacht der Wintersonnenwende: Band 1 (German Edition)
zitternd vor Enttäuschung ab.
» Mach dir keine Vorwürfe«, erwiderte Alys dumpf. » Dann besteht also keine Chance, dem Rat eine Nachricht zukommen zu lassen?«
» Bis auf die Magyr mit ihren Portalen haben Schlangen und Quislais als Einzige die Macht, so schnell zu reisen. Wenn ich meine Flügel noch hätte …«
» Befindet sich vielleicht noch eine andere Schlange in der Nähe?«
Daraufhin zischte das Tier und schlängelte sich hin und her. » Es gibt hier keine anderen großen Häuser, die bewacht werden müssten. Fell Andred …« Sie brach ab. » Darf ich so kühn sein, mich um Euer Handgelenk zu schmiegen, Lady Alys? Ich danke Euch. Das tröstet mich. Nun, Fell Andred ist von der Außenwelt abgeschnitten: Im Norden, ganz in der Nähe, befindet sich das Reich des Chaos. Wann immer der Quell des Chaos überbrodelt, droht die Zerstörung. Im Osten sind die Sümpfe und im Westen und Süden liegt Elwyns Wald. In den Sümpfen leben lediglich Elementargeister und sogar noch merkwürdigere Geschöpfe, von denen einige behaupten, sie wären aus dem Reich des Chaos dorthin gekrochen. Und im Wald …« Ein Schauder ließ ihren Leib erzittern.
» Hast du gesagt Elwyns Wald?«
» Elwyn Silverhair tollt dort manchmal mit den Dirdreth herum, den Waldgeistern. Aber ich flehe Euch an, Lady Alys, geht nicht in die Nähe des Waldes. Euer Leben wäre in Gefahr. Die Dirdreth gehorchen keinem Gesetz außer dem von Elwyn und sie haben nur wenig für Fremde übrig.«
» Es gibt für uns keinen Grund, dorthin zu gehen«, erwiderte Alys beruhigend und wiegte mit ihrer freien Hand den Kopf der Schlange. » Es klingt so, als ob … Was ist, Charles?«
» Ich hab was gehört«, erwiderte Charles angespannt. » Da – schon wieder. Als würde sich jemand bewegen … Alys, wir sollten jetzt besser gehen …«
» Lady Alys! Schnell …«
Was dann folgte, kam Alys wie ein Albtraum vor. Noch während sie sich aufrichtete, sah sie deutlich die Gesichter von Magyrn vor sich, eingerahmt vom Geäst schwarzer Büsche. Die Magyr waren zwischen ihnen und dem Spiegel.
» Schnell, schnell ! In den hinteren Teil der Grotte! Dort gibt es einen Weg nach draußen …«
Alys wusste nicht, ob sie auf die Stimme der Schlange reagierte oder in ihrer blinden Panik rein instinktiv handelte, aber sie packte Claudia an der Jacke, stieß sie vorwärts und rannte los. Die Grotte wurde nach hinten hin schmaler und verwandelte sich in einen schlüpfrigen Tunnel mit rauem Boden und rissigen Wänden, an denen sie sich die Haut aufschürften. Dicht hinter ihnen hörten sie ihre Verfolger. Ihre einzige Lichtquelle waren die leuchtenden Edelsteine ringsumher und so stolperten und rutschten sie verzweifelt vorwärts. Der schmale Gang neigte sich bergab und bog und wand sich zu zahlreichen Kurven. Immer wieder blieben sie mit ihren Kleidern am Gestein hängen. Verworrene Rufe drangen an ihre Ohren. Sie rannten und fielen hin und rappelten sich auf und rannten weiter. Bis plötzlich der Boden unter ihnen einfach verschwand – sie kullerten und rollten dahin, ohne etwas tun zu können. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis sie auf dem Hügel unterhalb der Burg ins Mondlicht hinausschossen.
Charles rappelte sich sofort auf und streckte seine Hände Janie und Claudia entgegen. » Bleibt nicht stehen! Lauft weiter!« Und schon jagte er wie ein Hirsch davon.
Sie flohen den Hügel hinab. Hinter ihnen ragte die massive quadratische, steinerne Burg imposant auf. Das Mondlicht erhellte die Umgebung beinahe wie am Tag, aber die Farben waren seltsam und die Entfernungen trügerisch.
Als Alys einmal zurückschaute, glaubte sie, etwas Helles zu sehen, das sich auf dem Hügel bewegte. Es war schwer auszumachen, denn von Osten zog Nebel auf, aber die Lichtpunkte wirkten wie Fackeln. Schluchzend biss sie die Zähne zusammen und rannte weiter. Sie alle waren erschöpft, ihre Beine zitterten, ihr Atem pfiff, das Blut rauschte in ihren Ohren. Immer wieder fielen sie hin, während der Nebel dichter wurde und sie in einen weißen Schleier hüllte. Alys spürte, dass sich irgendetwas falsch anfühlte, doch das Hämmern in ihrem Kopf machte es ihr unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Erst als der Nebel zu einer dicken weißen undurchsichtigen Wand geworden war, wurde ihr klar, dass die Schlange nach ihr rief.
Sie hatte sich ihren Arm entlang hinaufgewunden, um ihren Hals geschmiegt und rief ihr direkt ins Ohr. Trotzdem war die schwache, schnarrende Stimme kaum zu
Weitere Kostenlose Bücher