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Wilhelm II

Wilhelm II

Titel: Wilhelm II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Christopher
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Repräsentanten ihrer jeweiligen Teilstreitkräfte den Monarchen begleiteten, wurden die Generäle und Adjutanten des »Hauptquartiers« persönlich vom Kaiser mit Hilfe des Chefs seines Militärkabinetts ausgewählt. 1 In der gesamten Vorkriegszeit interessierte sich Wilhelm sehr stark für Rüstungsfragen und für die Ausarbeitung der Heeres- und Flottengesetze und hatte sogar den Anspruch, eine führende Rolle bei den alljährlichen Manövern zu übernehmen. Die Zuständigkeit des Monarchen für den Aufbau und die Aufstellung der Streitkräfte wurde ab 1900 dadurch unterstrichen, dass die Person des Kaisers verstärkt als »Oberster Kriegsherr« bezeichnet wurde. 2
    Die Entschlossenheit des Monarchen, die königliche, außerparlamentarische Kommandogewalt zu erhalten und gar auszuweiten, hatte entscheidende Konsequenzen für die politische und konstitutionelle Geschichte des Reiches. Darüber hinaus war die strukturelle Entwicklung der höchsten Kommandoebene des Heeres und der Marine davon betroffen. Vor allen Dingen hemmte sie die Herausbildung eines zentralen Organs,
das imstande war, die Aktivitäten der jeweiligen Teilstreitkräfte zu koordinieren und ihre Prioritäten miteinander in Einklang zu bringen. Während der Herrschaft Wilhelms I. war die Zuständigkeit für die Truppen, die Ausbildung, für Waffen und Aufstellung nach und nach an eine Vielzahl rivalisierender Behörden delegiert worden: den Generalstab, das Kriegsministerium, das Militärkabinett und so weiter. Wilhelm II. unternahm keinen Versuch, diesen Zustand zu beheben, tatsächlich zersplitterte er die Befehlsstruktur noch weiter, indem er die Zahl der Kommandoposten im Heer und in der Marine erhöhte, die direkt dem Kaiser unterstellt waren. 3 Das war Teil einer bewussten Strategie, eine Umgebung zu schaffen, die eine ungehinderte Ausübung der monarchischen Befehlsfunktion gestatten würde. »Nachdem Ich mich entschlossen habe, den Oberbefehl über meine Marine ebenso wie über meine Armee Selbst zu führen«, erklärte Wilhelm in einer Kabinettsorder vom 14. März 1899, »erachte Ich es nicht für zweckmäßig, wenn zwischen Mir und den einzelnen Befehlshabern eine zentrale Kommandobehörde steht, die lediglich Meine Befehle zu übermitteln haben würde.« 4
    In Wirklichkeit war Wilhelms Fähigkeit, eine Befehlsfunktion auszuüben, jedoch eng umschrieben. Seine Teilnahme an Heeresmanövern erwies sich als äußerst störend, teils weil Wilhelm ein schlechter Taktiker war und teils weil der Generalstabschef Alfred Graf von Schlieffen der Ansicht war, dass der Kaiser, wenn er teilnahm, bei Schlachtsimulationen auf keinen Fall verlieren durfte. Als Kaiser, so Schlieffen, könne er nicht von einem seiner Generäle geschlagen werden. 5 Schlieffens Nachfolger Helmuth von Moltke knüpfte im Jahr 1906 die Übernahme des Amtes an die Bedingung, dass Wilhelm sich künftig jeder Einmischung enthalten werde.
    Wilhelm fehlte darüber hinaus ein Überblick über strategische Planung. Er wurde über die allgemeine Richtung der Strategie des Generalstabs im Kriegsfall unterrichtet – zum Beispiel kannte er den Schlieffenplan in groben Zügen -, aber er wurde nicht über die Details der militärischen Planung in den unmittelbaren
Vorkriegsjahren informiert, möglicherweise weil der geheimniskrämerische Generalstab in ihm ein potenzielles Sicherheitsleck sah. 6 Überdies verfügten weder die Militär- und Marinekabinette, noch das kaiserliche »Hauptquartier« über die Ressourcen, um den Monarchen in einer echten Befehlsfunktion zu unterstützen. Somit war Wilhelm außerstande, eine koordinierende Rolle zu übernehmen, die den relativen Mangel an einheitlichen Kommandoeinrichtungen in Deutschland kompensiert hätte, die mit dem Conseil Supérieure de la Guerre in Frankreich und dem Committee of Imperial Defence in Großbritannien vergleichbar gewesen wären. Selbst in den letzten Jahren vor Kriegsausbruch wurden so gut wie keine Vorbereitungen für koordinierte Operationen des Heeres und der Marine getroffen, und es wurde nicht der Versuch unternommen, die von den Militärplanern ausgedachten Strategien sorgfältig auf die Optionen, die von der deutschen Diplomatie verfolgt wurden, abzustimmen. Deutschland blieb in dieser Hinsicht »strategisch führerlos«. 7
    Bezüglich des militärischen Oberbefehls klaffte, wie bei so vielen Aspekten der Rolle des Kaisers, eine gewaltige Kluft zwischen den Worten und der Realität. Gemäß Artikel 63 der

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