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Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Titel: Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Clark
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Verteidigung des Zedlitz-Entwurfes ausgelegt wurde. 40 Nach einer hitzigen Debatte im Kronrat am 17. März 1892, in der Wilhelm schroff auf einem Kompromissvorschlag bestanden hatte, der den Einwänden der Liberalen Rechnung trug, trat Zedlitz von seinem Amt zurück. Caprivi war der Meinung, seine Politik sei öffentlich desavouiert worden, und reichte ebenfalls sein Rücktrittsgesuch ein. In seiner Verzweiflung versuchte Wilhelm, Zedlitz-Trützschler zu halten, indem er anbot, die Schulvorlage am Ende doch zu billigen, aber vergeblich. Caprivis Rückzug war ein noch schwererer Schlag. Wilhelm weigerte sich anfangs, den Rücktritt zu akzeptieren: »Nein. Fällt mir nicht im Traum ein«, schrieb er als Antwort auf die Mitteilung des Kanzlers. »Erst die Karre in den Dreck fahren und dann den Kaiser sitzen lassen, ist nicht schön.« 41 Caprivi willigte am Ende ein, Reichskanzler zu bleiben, übergab aber den Posten des preußischen Ministerpräsidenten dem konservativen Botho von Eulenburg.
    Wilhelms Wankelmütigkeit, sobald er unter Druck gesetzt wurde, entging keineswegs der Aufmerksamkeit der Zeitgenossen. In seinem Rücktrittsgesuch erklärte Caprivi, er scheide aus seinem Amt aus, weil er sich außerstande sehe, sich persönlich auf das unschätzbare Vertrauen des Kaisers zu verlassen. 42 Andere gaben während der Krise bissige Kommentare ab, wie schwierig es doch sei zu erraten, auf welche Seite sich der Kaiser schlagen werde. 43 Im fernen Altona grübelte der ultraklerikale und einstige Günstling des Kaisers General Waldersee, der seine Entlassung als Generalstabschef 1891 noch nicht verdaut hatte, über Wilhelms »Schwanken und Äußerungen in den entgegengesetzten Richtungen, so dass der Eindruck der Doppelzüngigkeit entstehen musste.« 44 Allem Anschein nach stöhnte Wilhelm selbst unter der Bürde seiner eigenen Stellung. Er laborierte damals an den Nachwirkungen einer Ohrentzündung, und die Anspannung, eine konsequente Haltung angesichts widersprüchlicher Verpflichtungen durchzuhalten, wirkte sich schon bald auf seine physische und emotionale Verfassung aus. In einem Telegramm vom 12. März 1892 schrieb er an Eulenburg: »Bin noch recht elend und muss mich jeder Arbeit fernhalten. Zustand durch Überarbeitung und Überanstrengung gekommen. Fieber geschwunden. Aber noch viel Mattigkeit. Werde vielleicht, wenn wieder wohler, mal ausspannen und Ortswechsel vornehmen müssen. Daher alle Politik, innere wie äußere, mir fürs erste völlig gleichgültig, solange sie sich im gewohnten Kreise fortbewegt.« 45 Der Schock von Caprivis Rücktritt hatte offenbar einen Nervenzusammenbruch ausgelöst, der rund zwei Wochen lang anhielt. 46
    Freilich wäre es allzu einfach, Wilhelms Zickzackkurs allein seiner persönlichen Unentschlossenheit zuzuschreiben, deckte die Schulgesetzkrise doch auch die Gespaltenheit der deutschen politischen Kultur auf. Außerdem darf man Wilhelm nicht die Schuld daran geben, dass er sich auf das Minenfeld der Schulfrage wagte, denn immerhin hatte doch das Zentrum, und am Ende der Kanzler selbst, hartnäckig Zugeständnisse gefordert. Möglicherweise hätte Wilhelm, wenn er Zedlitz-Trützschler taktvoller behandelt hätte, den Rücktritt des Ministers verhindern und den Kompromissentwurf erreichen können, den er sich wünschte. Aber es war mit Sicherheit ein Fehler Wilhelms – noch dazu einer, den er in den neunziger Jahren mehrfach begehen sollte -, sich so deutlich mit bestimmten politischen Positionen zu identifizieren, insbesondere wenn diese, notgedrungen, von einer Woche zur nächsten wechselten. Wie die Krise um die Schulvorlage zeigte, ließ sich die integrative Rolle, die sich Wilhelm für das deutsche Staatswesen erträumte, nicht mit täglichen Vorstößen in die Politik vereinbaren. Ein Kaiser, der an der Spitze der Nation stand, musste ein Kaiser sein, der über und deshalb zugleich außerhalb der Politik stand. Aber genau hierin lag die Krux: Außerhalb der Politik stehen, würde bedeuten, dass Wilhelm auf sein begehrtes Ziel verzichtete: die Ausübung persönlicher Macht.

Die Militärvorlage (1893)
     
    Nach der überstandenen Krise um das Schulgesetz wandten Wilhelm und Caprivi sich der Aufgabe zu, den Entwurf für das neue Militärgesetz auszuarbeiten und durch den Reichstag zu bringen. Im Zuge der Vorbereitungen für den Gesetzentwurf ließ Wilhelm erkennen, dass er die eine oder andere Lektion aus dem Fiasko gelernt hatte: Während des Sommerurlaubs im Juli an der

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